Parícutin – im Zauber des Vulkans

 (15. – 21. April, 2016)

Über den mexikanischen Bundesstaat Michoacán war uns schon im Voraus so einiges zu Ohren gekommen – nichts Gutes – und das noch nicht einmal von Ausländern, sondern vor allem von den Mexikanern selbst. Fast kommt es uns so vor wie kurz vor dem Grenzübertritt von den USA nach Mexiko, denn auch jetzt blicken wir in meist sorgenvolle Gesichter wenn wir erzählen, dass wir als nächstes vorhaben durch Michoacán zu reisen. Wieder hören wir richtige Horrorgeschichten und wieder reichen die Meinungen von “alles nicht so schlimm” bis hin zu “Vorher tanken, nicht anhalten (noch nicht einmal zum pinkeln), durchfahren, und auf gar keinen Fall von der Cuota abfahren.” Vor allem im benachbarten Jalisco ist man sich einig, das Michoacán gefährlich, am besten zu meiden und nur wenn es nicht anders geht zu durchfahren ist – und dann so schnell wie möglich. Wir beschließen jedenfalls die Küstenregion zu meiden, an der es einstimmig am gefährlichsten sein soll, aber weiter nördlich gelegenen Orte zu besuchen. Zu diesen führt keine Cuota, und so betreten wir die Region wieder einmal mit etwas mulmigen und gemischten Gefühlen. Womit wir aber so überhaupt nicht gerechnet hatten, ist dass uns hier nicht nur einige der schönsten und gastfreundlichsten Erlebnisse von ganz Mexiko erwarten, sondern auch der gesamten bisherigen Reise!

Ankunft in Angahuan

Unser erstes Ziel in Michoacán ist der Vulkan Parícutin in der Nähe des kleinen Dorfes Angahuan. Auf der Fahrt dorthin durchqueren wir ein paar ärmliche und elend aussehende Ortschaften, in denen die Leute uns unfreundlich anstarren. Das Polizeiaufgebot ist plötzlich merklich höher und uns ist schon etwas unbehaglich zumute, hier so ganz allein als ausländische Touristen unterwegs zu sein. Für das Mittagessen halten wir nicht wie gewöhnlich einfach irgendwo an, sondern vorsichtshalber an einer bewachten Tankstelle und belegen uns unsere Brote dort. Doch Letzen Endes verläuft die Fahrt völlig friedlich und wir erreichen am  Nachmittag Angahuan, ein vollkommen indigenes Dorf in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Am Ende des Dorfes gibt es ein ebenfalls indigen geführtes Touristenzentrum mit Bungalows, Zeltmöglichkeiten, Waldspielplatz und Restaurant. Bevor wir jedoch dort hinkommen, werden wir noch vor dem Dorfeingang ‘abgefangen’. Unser Campingbuch hatte uns schon gewarnt, dass vor dem Ort Tourenführer mit ihren Pferden warten um sich potenzielle Kunden zu sichern noch bevor diese überhaupt in die Nähe des Vulkans kommen. Und wenn man nicht aufpasst, jagen sie einem durch das gesamte Dorf nach! Der Mann, der sich uns vorstellt heißt Enrique und der ‘Fehler’, den wir machen, ist dass wir “vielleicht” sagen. Das reicht ihm, denn kaum fahren wir weiter, schwingt er sich blitzschnell auf sein Pferd und jagt den Gaul im vollen Galopp die Dorfstraße runter. Mal vor uns her galoppierend, mal hinter uns; jedenfalls scheint er genau zu wissen wo wir hinwollen und ist letzten Endes schon vor uns am Touristenzentrum um vor allen anderen Tourenführern zu demonstrieren, dass wir seine ‘Beute’ sind. Wir müssen schmunzeln, denn er gibt sich wirklich alle Mühe, uns zu einer Tour mit ihm zu überreden. Wir erklären ihm aber, dass wir erst einmal ankommen müssen und es uns überlegen.

Das Touristenzentrum von Angahuan ist unerwartet schön und gepflegt; und von dort aus hat man einen fantastischen Ausblick auf die umliegenden Bergen mit den beeindruckenden Vulkan Parícutin als Mittelpunkt. Wir finden einen idealen Campingplatz unter großen Pinien mit überdachtem Picknicktisch und Feuerstelle – herrlich! Hier lässt es sich ein paar Tage aushalten, beschließen wir. Wir fühlen uns vollkommen wohl und sicher und erleben Michoacán gleich von einer ganz anderen Seite als zuvor beschrieben.

Die Kirche in der Lava

Da es noch nicht sehr spät ist, haben wir genug Zeit, um die Hauptattraktion der Region anzuschauen: die halb von Lava begrabene Kirche von San Juan Parangaricutiro. Am 20. Februar 1943 arbeitete der Bauer Dionisio Pulido gerade auf seinem Maisfeld, als sich plötzlich die Erde zu öffnen begann und innerhalb nur weniger Stunden einen Krater formte wo vorher nichts gewesen war! Man stelle sich das einmal vor! Innerhalb weniger Monate wuchs der Krater hunderte Meter in die Höhe und innerhalb eines Jahres begrub die ausgespuckte Lava die Dörfer Parícutin und San Juan Parangaricutiro vollständig – bis auf den oberen Teil der Kirche, der noch daran erinnert, dass hier früher einmal Häuser standen!

Direkt hinter dem Touristenzentrum führt ein breiter Sandweg in etwa einer halben Stunde zu dem historischen Schauplatz und als wir uns auf den Weg dorthin machen wollen, werden wir sofort wieder von den Guides bedrängt, die uns Pferde für den Weg anbieten. Wir lehnen jedoch ab und spazieren gemütlich durch den lichten Pinienwald bergab. Der Anblick, der sich uns schließlich bietet ist einmalig! Die halb aus der Lava herausragende Kirche als Zeugin der Geschichte lässt uns fasziniert und ehrfürchtig staunen. Dicht heran führt ein Pfad über die schwarzen lavabrocken und der Anblick wird immer gewaltiger. Bei der Kraxelei über die Steine und die Kirchenreste fühlen wir uns wie auf einem Abenteuerspielplatz. So etwas gibt es nun wirklich nicht alle Tage!

Zwischen Sonne und Lava

Nach diesem ersten Erlebnis haben wir nun so richtig Lust bekommen, auch zum Vulkan selbst zu wandern, doch ohne Guide ginge das nicht, erklärt man uns. Aus verschiedenen Gründen haben wir jedoch keine Lust, einem Führer hinterher zu laufen und so fragen wir, warum das denn nicht gehen soll und ob es gefährlich ist. Nein, gefährlich sei es nicht, aber wir würden sicher den Weg nicht finden, heißt es. Wir sind anderer Meinung und beschließen es trotzdem alleine zu versuchen. Wegen der nachmittäglichen Hitze stehen wir früh auf und sind überrascht morgens um 7 Uhr, als wir aufbrechen wollen schon wieder Enrique zu begegnen, der immernoch nicht die Hoffnung auf uns als Kunden aufgegeben hat und frühzeitig nachfragen wollte, was wir denn heute so machen. Der arme Kerl tut uns langsam fast leid, doch wir erklären ihm, dass wir heute alleine wandern wollen; falls wir jedoch noch eine Tour zu Pferd unternehmen wollten, wir diese ganz sicher mit ihm machen werden. Er müsste nicht mehr extra herkommen, wir würden ihn dann suchen. Er schaut etwas enttäuscht aus, erklärt uns aber bereitwillig den Weg zum Vulkan über das Lavafeld, der sich nun zugegebenermaßen doch nicht so ganz einfach anhört. Wir werden ja sehen… In der morgendlich angenehmen Frische wandern wir zunächst wieder zur Kirche und von dort aus (jemand erklärt uns hier freundlicher Weise nochmals den Weg) geht es einen langgezogenen Sandweg entlang bis zu einem Tor, dass wir passieren müssen. Es gibt weder eine Karte noch Schilder auf dem Weg und so sind wir uns nach einer Weile tatsächlich nicht mehr sicher, ob wir hier nun richtig sind oder uns verlaufen haben. Es wird langsam wärmer und uns beschleicht in der einsamen Gegend das unangenehme Gefühl, hier irgendwie ausgeliefert zu sein, sollte uns jemand etwas Böses wollen. Die Warnungen vor Michoacán sind plötzlich wieder ganz präsent und der Kopf erfindet eigenständig und ungefragt Schauermärchen, in denen wir z.B. hinter der nächsten Ecke auf ein Marihuana Feld stoßen könnten, dass wir als Touristen besser nicht sehen sollten. Oder das hinter dem nächsten Busch plötzlich ein paar einäugige Banditen mit Machete hervorspringen, die sich darüber freuen, dass zwei naive Touristen so ganz freiwillig in ihr Revier spazieren…Wir sind jedenfalls froh, als wir schließlich ein paar Bauern auf einem Feld beim Bäume pflanzen antreffen, die freundlich genug aussehen um sie nach dem Weg zu fragen. Wie sich heraus stellt, sind wir tatsächlich falsch abgebogen, müssen wieder ein ganzes Stück zurück und dann den benachbarten Hügel hinauf um auf das Lavafeld zu gelangen. Bei der Gelegenheit erkundigen wir uns auch gleich nochmal nach der Sicherheitslage, und als sie uns bestätigen, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen, sind wir schon erleichtert und setzten den Weg nun etwas entspannter fort. Nach einer weiteren Stunde erreichen wir schließlich das Lavafeld, das als gigantische Fläche zwischen uns und dem immernoch weit entfernten Vulkan liegt. Glücklicher Weise gibt es hier Farbmarkierungen, die den Weg weisen; aber wenn wir uns vorgestellt hatten, dass man mal eben so geradeaus über so ein Feld spaziert, dann hatten wir uns getäuscht: Stunde um Stunde geht es auf und ab, über Hügel, durch kleine Einschnitte, die manchmal wie Schluchten die Lava durchziehen und dem Vulkan kommen wir nur sehr langsam näher. Die Sonne brennt mittlerweile erbarmungslos vom Himmel und heizt die schwarzen Steine dermaßen auf, dass wir uns bald vorkommen wie auf einem Grill. Irgendwann sehen wir ein, dass wir es wohl nicht vor der Dunkelheit zurück schaffen, falls wir noch weiter gehen und beschließen umzukehren. Wir suchen uns einen halbwegs schattigen Pausenplatz unter einem Felsen und genießen den Anblick dieser bizarren Landschaft. Bald überholt uns eine geführte Wandergruppe (wir hatten schon gar nicht mehr damit gerechnet hier überhaupt jemanden anzutreffen) und wir erfahren, dass sie schlauer waren als wir und sich für den Rückweg Pferde organisiert haben. So lässt sich die gesamte Strecke natürlich einfacher bewältigen…Begleitet werden sie von 2 Hunden (immer wieder schließen sich Straßenhunde gerne zum Wandern an), die uns freundlich begrüßen und denen wir in der Hitze etwas von unserem Wasser abgeben. Einer der beiden beschließt daraufhin dass es bei uns schöner ist und begleitet uns den gesamten Weg zurück. Ganz schnell schließen wir die freundliche Hündin ins Herz, die uns von jetzt an auch regelmäßig auf dem Campingplatz besucht. Die Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit.

Als wir einige Stunden später wieder bei der Kirche ankommen, machen wir Rast bei einem der lokalen Stände wo es hervorragende handgemachte Tortillas aus blauem Maismehl gibt. Serviert werden sie klassisch als Quesadillas mit verschiedenen Füllungen. Normalerweise sind wir beide nicht besonders begeistert von Maistortillas, aber diese hier schmecken so gut, dass wir noch weitere als Nachschlag bestellen!

Dorfleben in Angahuan

Allein das Dorf Angahuan ist einen Besuch wert und äußerst interessant. Bewohnt wird es von den Purépecha Indianern, die ihre eigene Sprache haben und spanisch, wenn überhaupt, nur als Zweitsprache sprechen. Zum ersten Mal sehen wir hier Frauen in traditioneller Kleidung, wunderschöne knallbunte und aufwendig verzierte Röcke und Blusen. Die Tracht sei teuer, erzählt man uns; aber die Frauen seinen stolz darauf und wollten nichts anderes haben. Schön, dass es das noch gibt! Nach unserer gestrigen Tagestour wollen wir heute nichts Großes unternehmen, und beschließen daher das Dorf zu erkunden, was von Pferden nur so zu wimmeln scheint. Überall stehen Pferde auf der Straße angebunden, hinter den Häusern und schon die kleinen Jungs galoppieren, kaum mit den Beinen an den Bauch des Pferdes reichend, selbstbewusst durch die Gassen, so dass wir uns fast vorkommen wie in einem anderen Jahrhundert – nur die allgegenwärtigen Smartphones, die selbst hier jeder zu besitzen scheint erinnern uns daran, in welcher Zeit wir uns befinden. Wir entdecken kleine Tiendas mit dem nötigsten an Obst und Gemüse, erhaschen immer wieder einen Blick in eines der Häuser und entdecken mehrere Schneiderläden mit einer riesigen Vielfalt an bunten Stoffen für die aufwendigen Trachten. Bei unserem Spaziergang fällt uns allerdings auch ein etwas merkwürdiges Verhalten der Menschen hier auf. Von den Männern werden wir ganz normal und ungezwungen behandelt, doch von den Frauen nicht. Nur von sehr alten Großmüttern werden wir auf der Straße gegrüßt, alle anderen Frauen schauen entweder verlegen nach unten oder gehen mit starrem Blick an uns vorbei. Wir haben keine Erklärung für dieses Verhalten und können nur denken, dass es wohl kulturell bedingt ist. Der Dorfzusammenhalt scheint hier jedenfalls ganz besonders intensiv zu sein, denn wir entdecken in einer Seitenstraße etwas, das einfach rührend ist: eine Hausbauparty! Jemand baut ein Haus und alle helfen mit! Wir sehen Scharen von Menschen Eimer, Zement und Steine schleppen. Der Hausherr sorgt für das leibliche Wohl und sogar eine Bühne mit Band ist aufgebaut, die zu dem Geschehen aufspielt! Das es so etwas gibt! Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen, jeder scheint hier Spaß zu haben und wir können den Anblick ersteinmal gar nicht fassen, der sich uns da bietet. Eine Weile lang stehen wir so da und schauen fasziniert dem bunten Treiben zu, bis einer der Arbeiter uns bemerkt, fröhlich auf uns zukommt und uns sogar 2 Stühle anbietet! Gäste und Zuschauer sind anscheinend auch herzlich willkommen!

Damit nicht genug, hat Angahuan auch noch andere, für uns seltsame, Sitten. Wer durch das Dorf spaziert, dem fällt auf, dass an fast jedem Haus Lautsprecher angebracht sind, und wir hatten auch schon auf dem Zeltplatz bemerkt, dass zu bestimmten Tageszeiten (meist gleich mehrere Stunden) täglich irgendwelche Lautsprecherdurchsagen gemacht werden – oft bis in die späten Abendstunden hinein. Wir haben keine Ahnung, was es damit auf sich hat (wir verstehen ja sowieso nichts), nehmen aber an, dass es wohl irgendetwas Religiöses sein muss. Irgendeine Art von Gebet vielleicht. Was auch sonst? Zumindest hört es sich wie ein seltsamer Singsang an, der aus den Lautsprechern tönt. Das Dorf muss allerdings wirklich hoch religiös sein bei dem Zeitaufwand, der da betrieben wird. Es bleibt uns tagelang ein Rätsel, bis es uns mit Hilfe unseres Sprachbuchs dann doch mal gelingt nachzufragen und wir erfahren, dass wir völlig falsch liegen mit unserer Vermutung! Das Ganze ist nichts weiter als eine Art Nachrichtenübermittlung, wie eine Zeitung sozusagen. Alle Neuigkeiten und Veranstaltungen werden so angekündigt, wer etwas zu verkaufen hat, wer Hilfe beim Bau braucht usw. Das es so etwas gibt! Wir haben keine Ahnung, wie die Leute hier irgendwelche Informationen herausfiltern, denn die Durchsagen gehen täglich stundenlang und ohne Pause im immer gleichen Tonfall. Dafür muss man sicher hier geboren sein!

Familiensonntag

Sonntag ist Familientag in Mexiko und überall sieht man dann ganze Großfamilien mit Opa, Oma, Tante, Onkel, Kindern und großen Kühltaschen, Grills und Getränken anrücken. So wundert es uns nicht als wir nach unserem Dorfspaziergang das Touristenzentrum gut besucht vorfinden. An ‘unserem’ Picknicktisch hat es sich bereits eine ganze Familie bequem gemacht, die höchst erfreut zu sein scheint als wir auftauchen. Sie waren schon neugierig wer denn wohl zu dem Auto mit Dachzelt gehört und nun laden sie uns auch gleich bereitwillig zu ihnen an den Tisch ein. Kaum da, so halten wir auch schon jeder einen Teller mit Pizza und mexikanischem Reis in der Hand, dazu selbstgemachte Limonade und werden jetzt mit neugierigen Blicken und Fragen bedrängt. Der älteste Sohn spricht ein wenig englisch und so können wir uns ganz gut unterhalten. Es ist rührend herzlich so spontan eingeladen zu werden – das ist Mexiko! So erleben wir auch einmal hautnah mit, wie die Familie ihren Sonntag verbringt. Mit jeder Menge essen, trinken, spielen, die Sonne und das Leben genießen und ansonsten nichts tun. Zwischendurch wird ein Pferd ausgeliehen, damit die Kinder ein bisschen reiten können und auch der Vater setzt sich mal kurz darauf und hat seinen Spaß daran. Schade, denken wir, dass so etwas in der ‘modernen’ Welt verloren geht. Hier wird das Familienleben jedenfalls am Sonntag aller Orts in vollen Zügen ausgelebt – und wir sind mittendrin! Schließlich spielen wir auch ein Kinderspiel zusammen, was toll für unser Spanisch ist und für jede Menge Belustigung auf beiden Seiten sorgt. Am Ende des Tages finden wir es alle schade, uns voneinander zu verabschieden. Wir bekommen noch die Visitenkarte des Vaters in die Hand gedrückt mit den Worten “Falls ihr irgendetwas braucht, meldet euch.” Mittlerweile haben wir schon einen kleinen Stapel solcher Karten, denn die meisten Mexikaner sind so gastfreundlich und hilfsbereit, dass uns fast jeder mit dem wir auch nur ein paar Sätze wechseln seine Karte oder Adresse gibt – für den Fall das wir irgendetwas brauchen. So herzlich aufgenommen zu werden, übersteigt nun wirklich bei weitem alle Vorstellungen von Michoacán und wir sind froh, es gewagt zu haben herzukommen.

Ein unvergessliches Abenteuer

Nach unserem gescheiterten Wanderversuch, überlegen wir nun doch, ob wir nicht lieber zum Vulkan reiten sollten. Das mit geliehenen Pferden ist ja nur immer so eine Sache. Einmal möchten wir nicht mitmachen bei einem Geschäft, bei dem unterernährte und schlecht gepflegte Tiere komplett ausgebeutet werden; zum anderen bekommt man da ja meist so einen richtig abgestumpften Touristengaul, der kaum vorwärts zu kriegen ist und einen im mühsamen Schritt durch die Gegend schleppt. Auf sowas haben wir nun wirklich keine Lust; nichts ist schlimmer, als den ganzen Tag im Schritt zu reiten und sich den Hintern wund zu sitzen! Irgendwie müssen wir also vorher klar machen, was wir (nicht) wollen und so machen wir uns auf um Enrique zu suchen – schließlich hatten wir ihm ja zugesichert mit ihm zu gehen falls wir Pferde bräuchten. Wir überlegen, wie wir ihm das wohl mit wenigen Worten erklären können. Das Beste was uns schließlich einfällt ist “No Caballos abuela”, was so viel heißen soll wie “keine Oma Pferde” und sowohl ihn als auch uns zum Lachen bringt. “Good Horses”, versichert er uns schließlich und wir verabreden uns für den nächsten Morgen.

Pünktlich um 7 Uhr steht er dann auch mit 3 Pferden am Ausgangspunkt; wir sind regelrecht erschrocken von dieser Pünktlichkeit – etwas was sonst in Mexiko überhaupt nicht existent ist. Und er hat uns nicht zu viel versprochen: die Pferde sehen gepflegt und gesund aus und wir haben keine Bedenken aufzusitzen. Gary bekommt den falbfarbenen “Capitan” und ich nehme die kleine Scheckstute “Yolanda”, die ich auch gleich ins Herz schließe. Das wir ‘keine Oma Pferde’ wollen, hat unser Guide anscheinend wörtlich genommen, denn kaum sind wir aufgesessen, heißt es “Hola Capitan, Hola Yolanda” und schon geht es in zügigem Trab los – Enrique hinter uns, einen Strick über dem Kopf schwingend und ordentlich Tempo machend. Wir befürchten schon, dass er uns so die gesamten 14 km bis zum Vulkan scheuchen will und erklären ihm nach kurzer Zeit, dass das so nun auch wieder nicht gemeint war, wir reiten können und er nichts zu machen braucht. Das scheint ihn selbst zu erleichtern und nun reiten wir zu dritt mal im Schritt mal im Trab ganz entspannt durch die beeindruckende Landschaft. Der Weg ist diesmal ein anderer und führt in weitem Bogen um das Lavafeld herum vorbei an vereinzelten Häusern und Feldern. Noch es ist schön kühl und es fühlt sich herrlich an so unterwegs zu sein und die frische Morgenluft auf der Haut zu spüren. Irgendwann bietet sich ein breiter Sandweg auch zum galoppieren an. Da wir keine Ahnung haben was Galopp in Spanisch heißt, fällt uns nur “Rapido?” (schnell) ein, was ein breites Lächeln auf Enriques Gesicht zaubert und schon fliegen wir dahin. Capitan greift weit aus und Yolanda gibt sich mit ihren kürzeren Beinen alle Mühe mitzuhalten. Wunderbar, so ein Galopp nach langer Zeit – zum Juchuhh schreien! Ich fühle mich auf dem Pferderücken wie zu Hause und bin überglücklich, dieses Gefühl endlich mal wieder zu erleben, noch dazu auf so zuverlässigen und gut zu reitenden Pferden. Eigentlich sind sie fast eine Lebensversicherung, wie sich später herausstellt. Mitten im Galopp wird Yolanda plötzlich von allein langsamer, noch bevor ich überhaupt begreife was los ist: ich habe zwar noch ein paar Zügel in der Hand, doch die haben mittlerweile gar keine Verbindung mehr zum Pferdemaul! Da das Zaumzeug ‘a la mexicana’ ist, also ein Gebiss mit selbst drangebastelten Stricken, sonst nichts, fällt meines einfach irgendwann mitten im Galopp runter! Nicht auszudenken mit den meisten deutschen Pferden, die die Situation und diese plötzliche Freiheit sicherlich schamlos ausgenutzt und sich ihres Reiters mit ein paar gekonnten Bocksprüngen oder anderen spontanen Ideen schnell entledigt hätten. Die kleine Scheckstute allerdings hält einfach von selbst an, wartet geduldig bis das Zaumzeug wieder drauf ist und weiter gehts. Unglaublich! Nach ein paar Stunden erreichen wir den steilen Aufstiegshang zum Fuß des Vulkans und Yolanda stapft entschlossen durch die tiefe Asche nach oben. Ohne dass ich sie auch nur ein bisschen antreiben muss, setzt sie sich an die Spitze und meistert den Hang fast ohne nassgeschwitzt zu sein! Oben angekommen, nehmen wir an dass wir jetzt absteigen, denn hier gibt es nur noch lose Felsbrocken und völlig unwegsames Gelände. Doch nichts da: Enrique bedeutet uns weiter zu reiten und wir sind wieder völlig baff, wie die Pferde ohne ein einziges Mal zu stolpern mit diesem Gelände klar kommen. Jedes deutsche Pferd, dass ich kenne, hätte sich hier mindestens eine dicke Sehne geholt, wenn nicht schlimmer. Schließlich binden wir die Pferde an einem Baum an und jetzt geht es für uns zu Fuß weiter zum Krater.

Wir bezahlen ein paar Pesos “Mautgebühr” für die Benutzung des Weges – völlig erstaunt, dass hier oben überhaupt jemand wohnt und bekommen ein paar hölzerne Wanderstöcke in die Hand gedrückt. Enrique geht voran und zeigt auf ein steiles Geröllfeld vor uns: “Da kommen wir später runter.”, erklärt er. Was da? Wir schauen uns ungläubig an – von hier sieht das fast senkrecht aus! Aber zunächst einmal geht es über einen weniger steilen Weg nach oben durch eine märchenhafte Kulisse: Überall steigt Dampf aus den Felsspalten auf, was uns das Gefühl gibt, durch eine Hexenküche zu laufen. Es ist für uns beide das erste Mal, dass wir auf einen Vulkan steigen und wir sind vollkommen fasziniert von unserer Umgebung. Oben angekommen genießen wir einen atemberaubenden Blick in den Krater und die weite umgebende Landschaft. Langsam geht es einmal um den Krater herum, wobei wir Unmengen an Fotos knipsen, bis wir schließlich an der besagten Abstiegsstelle ankommen. “So, da gehts runter.”, grinst Enrique und schon schlittert, rutscht und hüpft er den Steilhang hinunter, dass es nur so staubt. Gary überlegt nicht lange und folgt ihm, ich brauche etwas länger bis ich mich überwinden kann da runter zu rutschen. Aber einmal drin ist es ein riesen Vergnügen! Ein bisschen wie Skifahren auf Vulkanasche. Wir springen und rutschen nach unten und stoßen dabei Freudenschreie aus! Was für ein Spaß! Unten angekommen schnaufen wir alle und unsere Schuhe sind bis oben voll mit Asche! Mit glühendem Kopf setzten wir uns auf die Bank vor der Hütte, und kaufen eine Cola. Das es überhaupt etwas hier oben gibt, hatten wir so gar nicht erwartet und daher jede Menge Wasser und auch belegte Brötchen mitgenommen, die wir jetzt auspacken und mit jeder Menge Appetit essen. Der Besitzer der Hütte ist etwas scheu und spricht ausschließlich Purépecha, aber er lächelt uns freundlich an und schenkt uns jedem ein Stück Schokolade, und dann nochmal eins zum teilen – eine rührende Geste der Gastfreundschaft. Enrique und er unterhalten sich ein wenig, wir genießen die Pause und das großartige Erlebnis und dann wird es Zeit für den Rückweg. Wir holen unsere Pferde und schon geht es den steilen Hang wieder hinunter. Eigentlich hatten wir uns vorgestellt, hier ganz langsam runter zu reiten, aber nicht mit Enrique! Der gibt gleich ordentlich Gas und unsere Pferde, die das offensichtlich gewöhnt sind, rutschen fast wie wir vorhin auf der Hinterhand durch die Vulkanasche nach unten! Ein Stück entfernt wollen wir nochmals ein Foto machen mit uns und dem Vulkan im Hintergrund. “Klar”, sagt Enrique, schnappt sich unseren Fotoapparat und jagt sein Pferd über noch unwegsameres Geröll um eine gute Position zu bekommen. Wir können da kaum hinschauen, aber diese Pferde sind fast wie Bergziegen und meistern jeden Untergrund völlig problemlos. Nochmals geht es ein ordentliches Stück im Galopp und dann trotten wir gemütlich die nächsten Stunden heim. Enrique bringt uns ein paar Worte Purépecha bei und lobt unsere Reitkünste. Was für ein Tag! Er wird uns als eines der schönsten Erlebnisse der gesamten Reise in Erinnerung bleiben, was wir Enrique später bei einem gemeinsamen Bier auch sagen. Wir geben ihm ein ordentliches Trinkgeld, denn was wir für die gesamte Tour bezahlen, gleicht fast einem Spottpreis – es sind umgerechnet keine 50 Euro! Dafür bekommt man woanders manchmalk noch nicht einmal ein Pferd für eine Stunde, geschweige denn gleich 3 mit Führer den ganzen Tag und noch dazu so Gute! Fast etwas wehmütig verabschieden wir uns schließlich. Dieses Erlebnis bleibt jedenfalls unvergesslich – und das ich nur wegen des heftigen Muskelkaters, der sich schon jetzt ankündigt!

Die Ruhe genießen

Angahuan hat es uns angetan und gerne würden wir hier noch länger bleiben, doch unsere Vorräte sind fast aufgebraucht und da es im Dorf nur das allernötigste gibt, beschließen wir weiter zu fahren zur nächst gelegenen Stadt Uruapan. Es fällt uns schwer diese Idylle zu verlassen und als wir schließlich in Uruapan ankommen, sind wir fast geschockt und kommen erst einmal so überhaupt nicht klar mit der Situation. Die Stadt ist ausgesprochen hässlich und natürlich wie wir es schon so oft erlebt haben laut, hektisch und die Luft voll von Abgasen. Es braucht nicht lange bis wir den Entschluss fassen, dass wir darauf nun so gar keine Lust haben. So erledigen wir das Nötigste, gehen Einkaufen, füllen Wasser auf, schauen unsere E-Mails nach, und drehen dann schnellstmöglich um zurück nach Angahuan. Dort lacht man, als wir wieder beim Touristenzentrum eintreffen. Ja, uns gefällt es ausgesprochen gut hier. Für einige Tage schlagen wir nochmals unser Lager auf und genießen es, einfach hier zu sein. Mit Sonnenaufgang stehen wir auf, mit Sonnenuntergang gehen wir schlafen. Das ergibt sich ganz von selbst und ist so natürlich, dass es überhaupt keine Mühe macht. Stundenlang bewundern wir die Aussicht auf den Vulkan und genießen die friedliche Atmosphäre. Wir backen Brot, kochen ausgiebig und schreiben am Blog. Als es schließlich doch an der Zeit ist weiter zu ziehen, fällt uns das immernoch schwer. Wir haben das Gefühl hier Monate verbringen zu wollen, aber Mexiko ist groß und es gibt noch so viel anderes das wir auch sehen wollen. Jedenfalls behalten wir Angahuan und den Vulkan Parícutin als einen ganz besonderen und zauberhaften Ort im Herzen.

Mehr bei Flickr: Parícutin – Magical Volcano