Chiapas – Mexikos Farbenfroher Süden

(16. Mai – 1. Juni 2016)

Bei weiterhin glühender Hitze überqueren wir die Grenze zum sagenumwobenen Chiapas, von dem wir schon beim Grenzübertritt nach Mexiko Geschichten gehört hatten – von der Schönheit der Natur, der indigenen Bevölkerung und den Zapatistas, Freiheitskämpfer die bis heute aktiv sind. Keine Frage, dass wir gespannt sind auf Chiapas, und wie sich bald herausstellt haben wir auch allen Grund dazu.

Lautes Spektakel

Unser erstes Ziel in Chiapas ist das “Sima de las Cotorras”, ein fast außerirdisch anmutendes riesiges “Loch” in der Erde, das Brutstätte für eine große Schar von mexikanischen Grünsittichen ist. Auf der Fahrt dorthin freuen wir uns über einen der in Mexiko recht zahlreich vorhandenen “Oxxos”, einer Art 7-eleven, und der einzige Ort, an dem es Magnum Eis gibt. Mit mexikanischem hausgemachten Eis verhält es sich unserer Erfahrung nach leider wie mit dem mexikanischen Essen: nur selten kommt man einmal in den Genuss von etwas wirklich Gutem. Also hatten wir es mit dem Eis irgendwann genauso gehalten wie mit dem Essen und nach ein paar eher enttäuschenden Versuchen, das Probieren aufgegeben. Bei Magnum können wir allerdings in der Hitze nicht widerstehen und so erklären wir die gerade herrschenden Temperaturen zum guten Grund für Magnum ad Libitum und freuen uns über jeden Oxxo, den wir finden. Das ‘Sima de las Cotorras’ liegt einige hundert Meter höher als unser letzter Übernachtungsplatz und obwohl es immernoch extrem heiß ist, macht sich der Höhenunterschied doch bemerkbar. Nachts kühlt es auf halbwegs erträgliche Temperaturen ab und es gibt hier zu unserer Freude kalte Duschen, unter die wir sofort nach unserer Ankunft springen und nochmals kurz vor dem Schlafen gehen. Am Abend spazieren wir schonmal um den beeindruckenden Krater, begleitet vom Konzert der Zirkaden, doch das richtige Spektakel findet jeden Morgen kurz nach Sonnenaufgang statt. Zu tausenden fliegen dann die knallgrünen Papageien aus zur Futtersuche. Ein ohrenbetäubendes Spektakel und ein faszinierender Anblick! Immer paarweise drehen sie ein paar Runden entlang der steilen Klippen, rasten vielleicht nochmal auf einem Zweig, bevor sie dann über unseren Köpfen hinaus ins Land fliegen. Etwa eine Stunde dauert das Ganze dann wird es ruhiger und nur die nistenden Sittiche bleiben für den Tag zurück. Um dieses Erlebnis reicher, lassen wir uns nach der morgendlichen Aufregung auch unser Frühstück schmecken, gehen nochmals kalt duschen und begeben uns dann wieder in die Höllenhitze des Tieflands.

Im Sumidero Canyon

Der Vormittag vergeht mit Fahren und Magnum essen bis wir die Hauptstadt von Chiapas, Tuxtla Gutierrez, erreichen. Hier kommt es uns sogar noch heißer vor als bisher und fast überlegen wir, sofort weiterzufahren in das auf 2000m gelegene Hochland in Mexikos Süden. Doch es gibt hier noch eine Attraktion, die wir unbedingt sehen wollen: den Sumidero Canyon. Sämtliche Mexikaner hatten auf uns eingeredet, ihn auf gar keinen Fall zu verpassen und bei so viel einheimischem Enthusiasmus können wir ja schlecht Nein sagen.   Durch die beeindruckende Schlucht etwas südlich von Tuxtla Gutierrez kann man per Bootstour fahren; das wollen wir allerdings erst am nächsten Tag machen und das erste Boot in den einigermaßen erträglichen Morgenstunden nehmen. Bis dahin gilt es irgendwie den unerträglich heißen Nachmittag herum zu kriegen ohne dabei wahnsinnig zu werden. Wir sind daher mehr als dankbar, kurz hinter dem Canyon ein Naturschwimmbad mit Wasserfall zu entdecken, das nicht nur halbwegs sauberes sondern auch kühles Wasser hat! Auf dem Fußweg dorthin bemühen wir uns möglichst nur im Schatten zu laufen, in der Sonne nimmt es einem fast die Sinne, und stürzen uns dann zusammen mit den Einheimischen eine ganze Weile lang ins erfrischende Nass. So abgekühlt sind zumindest die nächsten Stunden erträglich, doch das ändert sich rasch als wir die Oase verlassen und zurück zum Canyon fahren. Die Nacht dürfen wir kostenlos auf dem Parkplatz des Touristenzentrums verbringen. Unter einem großen Mangobaum schlagen wir unser Lager auf, aber an Entspannung oder gar Schlaf ist erstmal nicht zu denken. Wir haben keinen Hunger, keine Lust zu gar nichts und können nichts machen als lethargisch herum sitzen und die Schweißtropfen zählen, die an uns herunterlaufen. Bei der Gelegenheit fragen wir uns auch, wie das wohl gemeint war mit den Ratschlägen der Reiseärzte und einschlägiger Literatur, die wir vor beginn der Reise konsultiert hatten. Nach deren Meinung sollten wir nämlich unbedingt in den Tropen nur lang angezogen unterwegs sein und großflächig mit Repellentien eingesprüht um mögliche Mückenstiche auf jeden Fall zu vermeiden. Auch sei es hilfreich, sich mit dem Aussehen der Tigermücke vertraut zu machen – dem Hauptüberträger tropischer Krankheiten. Soweit so gut, in der Theorie hört sich das alles sehr vernünftig an, doch mittlerweile fragen wir uns, ob wohl jemals einer dieser Ärzten selbst in den Tropen war und sich dort 24h lang draußen aufgehalten hat. Uns ist es nämlich ein Rätsel, wie es überhaupt möglich sein soll, bei solchen Temperaturen lange Sachen an zu haben, wenn es schon halb nackt einfach nicht auszuhalten ist. Was die Repellentien angeht, so sieht es praktisch auch ganz anders aus als theoretisch. Wir haben zwar hochpotentes DEET dabei, doch stellen wir fest, dass wir fast damit duschen müssten um einen echten Schutz zu gewährleisten. Sowie auch nur eine winzige Stelle ausgelassen wurde, kann man sich sicher sein, dass die garantiert eine Mücke findet. Klar – Zicka, Chikungunya und Dengue samt der übertragenden Tigermücke sind allgegenwärtig und selbst Malaria ist ab hier anzutreffen. Wirklich nichts, dass man haben will; trotzdem ist unser Fazit nach eigenen Erfahrungen, dass man gestochen wird wenn man draußen lebt. Da helfen keine noch so umsichtigen Vorsichtsmaßnahmen – man wird auf jeden Fall gestochen. Am Anfang machen wir uns deswegen noch ziemlich Sorgen, doch um uns nicht ständig verrückt zu machen, halten wir es nach kurzer Zeit eher wie die Einheimischen, die einfach damit leben und sich nicht ständig Gedanken über Dinge machen, die vielleicht passieren könnten. So sitzen wir auch jetzt zwar eingesprüht, mit Mücken vertreibender Rauchspirale und zumindest langen Hosen in der Hitze des Abends, während um uns herum trotzdem noch jede Menge unglaublich schneller und blutrünstiger Tigermücken schwirren, die nur auf ihre Chance warten.

In der Nacht kühlt es nur unendlich langsam um einige Grade ab und wir sind froh, das allererste Boot am nächsten Morgen zu nehmen in der kühlsten Zeit des Tages.

Zusammen mit gut gelaunten Mexikanern geht es los in die beeindruckende Schlucht. Nun sind wir doch froh, nicht direkt weiter gefahren zu sein, denn der Sumidero Canyon enttäuscht uns keineswegs. Gigantische 1000m hohe Wände erheben sich schon bald zu beiden Seiten aus dem Wasser. Der Fluss schlängelt sich durch enge Felsen und ein tropisches Paradies. Schon bald entdecken wir Spinnenaffen samt Nachwuchs in einem baumbewachsenen Hang und das ganze Boot ist begeistert. Alle möglichen Vögel kreuzen unseren Weg und schließlich entdeckt unser Guide sogar ein Krokodil, das sich auf einem Felsen sonnt. Etwa eine Stunde treiben wir langsam durch dieses Naturschauspiel und sind rundum begeistert, bis am Ende des Canyons noch eine besondere Überraschung wartet: Die Felsen öffnen sich zu einem See und an dessen Ende liegt doch tatsächlich ein Boot mit kulinarischer Verpflegung! Falls wir es bis jetzt noch nicht beschrieben haben: es ist typisch für Mexiko, dass es wirklich überall Essen gibt. Egal wo, egal wie abgelegen, es gibt immer zumindest einen Stand mit Snacks, Früchten oder Quesadillas. Daran hatten wir uns schon gewöhnt, doch nun wirklich nicht erwartet, dass auf einer 2 stündigen Fahrt durch die Wildnis am anderen Ende des Canyons tatsächlich sogar vom Wasser aus für das leibliche Wohl gesorgt wird! Jetzt steht es definitiv fest: Es ist unmöglich in Mexiko zu verhungern! Unsere einheimischen Mitfahrer sind anscheinend überhaupt nicht überrascht, sondern betrachten es als völlig selbstverständlich und kaufen Tütenweise in Streifen geschnittene Früchte, Chips, Cola und sogar Bier! Typisch ausgelassen geht es schließlich auf den Rückweg und wir sind mal wieder um eine mexikanische Erfahrung reicher.

San Cristóbal de las Casas

Glücklich über das schöne Erlebnis, sind wir nun aber doch froh uns schleunigst ins Hochland von Chiapas zu begeben und der unerträglichen Hitze zu entfliehen. Die Straße schlängelt sich nach einiger Zeit endlich nach oben und es wird allmählich kühler, oder besser gesagt erträglicher. Wir öffnen alle Fenster und genießen die ersehnte Abkühlung durch den Fahrtwind. Es ist herrlich die frische Luft tief einzuatmen und auf 2000m kommt es uns nun trotz immer noch sehr sommerlicher Temperaturen fast kalt vor. Auf dem Weg nach San Cristóbal ändern sich nicht nur die Landschaft und die Temperaturen, sondern das gesamte Bild. Plötzlich sehen wir viel mehr indigene Gesichter. Die Frauen sind in wunderschöne traditionelle Tracht gekleidet und die Männer fahren bunt geschmückte Trucks. An zahlreichen Straßenständen und Dorfläden ist fast kunstvoll herrliches Obst und Gemüse in kleinen Eimern und Körben aufgetürmt und bis wir schließlich die Stadt erreichen, haben wir schon das ganze Auto voll mit frischen regionalen Sachen. Chiapas gefällt uns auf Anhieb ausgesprochen gut und die kulturelle Hauptstadt San Cristobal erweist sich als wahre Schönheit und eine Art Schmelztiegel der Kulturen. Zwar Kolonialstadt, ist San Cristobal aber vor allem bekannt als Hochburg der EZLN, oder kurz der Zapatistas – indigener Freiheitskämpfer deren Geschichte wohl einmalig ist. Ohne an dieser Stelle die genauen Hintergründe zu beschreiben (dafür gibt es gute Bücher und Filme), kann ich sagen, dass wir tief berührt sind von diesem Land, dem Volk und der Geschichte der Zapatistas. San Cristóbal steht jedenfalls fast als Wahrzeichen; es gibt unzählige Galerien mit Zapatista Kunst und Literatur und immer wieder sieht man die Flagge der EZLN. Eins der charakteristischen und auch beeindruckendsten Merkmale dieser Freiheitskämpfer ist der Anteil der Frauen und die überaus fortschrittliche Haltung zu Frauenrechten – ein Drittel der Gruppe besteht komplett aus Frauen, die Männern vollkommen gleichgestellt sind. Ein Thema, das man überall in den Kunstgalerien findet – Frauen mit Gesichtsmaske, Frauen mit Baby auf dem Arm und beide tragen das Zapatistatuch vor dem Gesicht; und als wir so durch die Stadt schlendern, wird umso deutlicher, welche Stellung San Cristóbal innehat, denn sogar Maria scheint hier klar auf der Zapatistaseite zu stehen und trägt symbolisch das Freiheitskämpfertuch! Wir verbringen jedenfalls einen ganzen Nachmittag damit, durch die Stadt und die Galerien zu schlendern und tauchen völlig ein in die Geschichte. Doch San Cristobal ist noch mehr als Wahrzeichen der Zapatistas – es ist Kolonialstadt mit wunderschönen Gassen und damit Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Welt, und trotzdem in anderen Stadtteilen Mexiko pur mit riesigem Markt, auf dem es einfach alles gibt, unzähligen kleinen Tiendas, Straßenständen, pulsierendem Leben und vollgestopften Straßen. Es macht einfach Spaß zu Fuß die verschiedenen Stadtteile zu erkunden, sich ins volle mexikanische Chaos zu stürzen, frisches regionales Obst und Gemüse auf dem Markt zu kaufen, und danach gemütlich in einem hübschen Café im Stadtzentrum zu sitzen. Zu unserer Freude stellt San Cristóbal sogar eine große kulinarische Ausnahme dar im Vergleich zum Rest unserer mexikanischen Erfahrungen. Unsere Freude ist sogar grenzenlos, als wir den “Horno Magico” (magischer Ofen) entdecken, eine französisch geführte Bäckerei mit dem wohl besten Brot in ganz Mexiko, ganz zu schweigen von den Puddingschnecken und Schokocroissants…wahrhaft magisch!

Etwas anderes Bemerkenswertes, das uns besonders hier auffällt ist der Umgang mit Babys und Kleinkindern, genauer gesagt das Stillen. Der Hauptteil der Bevölkerung ist indigen und so sieht man vorrangig traditionell gekleidete Frauen auf dem Markt und in den Straßen. Fast jede hat ein Kind dabei und schon die Neugeborenen werden im traditionellen Tuch auf dem Rücken einfach den ganzen Tag lang mitgetragen. Das Stillen der Babys ist hier immernoch eine herzerwärmend natürliche Sache und nicht wie leider in so vielen Ländern etwas für das man sich verstecken müsste. So gehört es einfach zum ganz normalen Straßenbild, überall Frauen zu sehen, die völlig ungezwungen und ungeniert ihre Babys stillen. Den Höhepunkt dieser natürlichen Unbefangenheit erleben wir als uns, in einem Straßencafe sitzend, eine Frau ihren handgefertigten Schmuck anbietet – eine Brust entblößt und auf dem Arm ihr Kind dass beim Stillen eingeschlafen war.

Am Stadtrand finden wir einen angnehmen Campingplatz, der nicht nur ausgesprochen gute Duschen hat, sondern auch etwas, das wir bisher im gesamten Land nicht gesehen haben: Nachtruheregeln! Wir können es gar nicht fassen, dass es sowas tatsächlich gibt und sind hellauf begeistert. Interessant wie sich die Dinge ändern können: hatten wir uns in Deutschland noch über so manche allzu “spießige” Regel aufgeregt, so sind wir nun nach fast 3 Monaten Dauerlärm zutiefst dankbar für ein paar Nächte relativ ungestörten Schlafs!  Das Einzige was jetzt noch fehlt wäre angenehme Gesellschaft denken wir. Nach langer Zeit, mal wieder ein paar gleichgesinnte Reisende zu treffen wäre jetzt wirklich schön. Doch als wir auf dem Camping ankommen, entdecken wir nur ein riesiges altes Hymer Wohnmobil mit britischem Nummernschild und haben wenig Hoffnung darin Gleichgesinnte zu finden. Umso überraschter sind wir, als plötzlich Mark und Saskia aussteigen, ähnlich unserem Alter und auf Anhieb sympathisch. Wir müssen lachen, denn wir hatten in dem Fahrzeug eher ein grauhaariges Paar erwartet mit völlig anderen Lebens- und Reiseansichten als unseren – so kann man sich täuschen. Schnell wird klar, dass wir uns viel zu erzählen haben und so verbringen wir einige gemeinsame Tage in San Cristobal mit gemeinsamen Ausflügen, kochen und Spieleabenden.

Außerdem sind wir anscheinend genau zur richtigen Zeit hier, denn gerade findet in der Stadt ein interkulturelles Volksfest statt mit allen möglichen Darbietungen, Tänzen und Essen. Mehrfach schlendern wir zum Ort des Geschehens, um dem Spektakel beizuwohnen. Dabei muss man aufpassen, wo man steht oder sitzt, denn wenn man sich wie wir in die erste Reihe setzt, kann es leicht passieren, dass man von den Kostümierten geschnappt und auf ein Tänzchen entführt wird. Nicht nur das; unter den ganzen Einheimischen fallen wir auf, und es macht die Runde, dass 2 aus Deutschland Angereiste, dem heimischen Volksfest beiwohnen. Schließlich werden wir sogar mit Namen vorgestellt, bekommen einen Ehrenplatz und werden mit süßen Brötchen und geflochtenen Strohhüten beschenkt! Wieder einmal ein mexikanisches Erlebnis, das unvergesslich bleibt!

Mit unserer Ankunft in San Cristóbal stellt sich zeitgleich eine große Veränderung ein, denn wir erleben etwas, dass wir seit Monaten nicht erlebt haben: es regnet. Schon am ersten Tag ziehen Nachmittags dunkle Wolken auf, die sich dann urplötzlich in einem gewaltigen Gewitterregen entladen. Binnen kürzester Zeit verwandeln sich Straßen in Flüsse, das Wasser trommelt nur so auf die Dächer, und jeder sieht zu, dass er so schnell wie möglich einen Unterstand findet. So schnell wie der Spuk gekommen ist, ist er auch wieder vorüber. Wir sind von dem Ganzen nach Monaten der völligen Trockenheit total überrascht und fragen uns, ob das jetzt wohl schon die Regenzeit ist? Nein, das kann nicht sein, es ist ja erst Anfang Mai – oder etwa doch? Einheimische klären uns schließlich auf: Ja, das ist die Regenzeit. Die Regenzeit, der wir eigentlich auf jeden Fall entkommen wollten, und über die uns besonders Zentralamerika betreffend allerlei Horrorgeschichten zu Ohren gekommen waren. Aber so ist das eben mit den Plänen und der Realität. Jetzt fahren wir jedenfalls mitten hinein in die Regenzeit und das ist erst der Anfang…

Hühner und Heilige

Wer San Cristóbal besucht, darf sich auch eine besondere Attraktion der Region nicht entgehen lassen: die Kirche von San Juan Chamula. Mittlerweile leider zur Touristenattraktion verkommen mit Eintrittsgeld und Wucherpreisen für Parkplätze, lebt der Ort doch immernoch seine mystische Tradition. Die eigentlich katholische Kirche hat sich zu einer seltsamen Mischung von Christentum und indigener Religion entwickelt und anscheinend sollen dort so seltsame Dinge vor sich gehen, wie das Opfern von Hühnern und dergleichen. Wir trauen unseren Ohren kaum, als wir hören, dass es dort Brauch sein soll, ein Huhn mit in die Kirche zu nehmen, dafür zu beten alles Schlechte in dieses Huhn zu transferieren und dieses dann rituell zu schlachten. Wir halten das allenfalls für einen Touristengag, sind aber doch neugierig genug, um nach Chamula zu fahren und die Kirche mit eigenen Augen zu sehen. Als wir dort ankommen, bietet sich uns ein mystischer Anblick: Sämtliche katholische Heiligenstatuen befinden sich entlang der Wände in eigens dafür angefertigten Schränken, der Boden der ist ausgelegt mit Piniennadeln, was einen wunderbaren Geruch gibt, hunderte kleine Kerzen brennen und auf dem Fußboden sitzen tatsächlich die Indígenas betend und mit Hühnern auf dem Schoß! Ganze Familien scheinen sich hier versammelt zu haben und ernsthafte Rituale zu praktizieren. Was mit den Hühnern letztendlich tatsächlich passiert, wollen wir eigentlich gar nicht so genau wissen, aber wir sind fasziniert von der mystischen Atmosphäre dieses Ortes. Innen Fotos machen ist streng verboten, doch ansonsten macht man hier gut Geld mit neugierigen Touristen wie uns. Wir sind trotzdem fasziniert, einen Blick in eine uns völlig fremde Welt erhaschen zu dürfen, wird hier doch tatsächlich etwas gelebt, das man sonst nicht so einfach zu Gesicht bekommt. Beim anschließenden Spaziergang über den regionalen Markt wird sogar nocheinmal mehr klar wo wir sind, denn wir entdecken in einem abgelegenen Winkel ein ganzes Gehege voller erwachsener lebender Hühner – etwas das wir bisher noch auf keinem mexikanischen Markt gesehen haben.

Reisetief

Nach spannenden 10 Tagen in San Cristobal geht die Reise für uns weiter durch den letzten Teil Mexikos bis kurz vor die guatemaltekische Grenze. Vom bergigen Hochland windet sich die Straße langsam wieder in tiefere Regionen durch dichte dschungelartige Wälder gespickt mit Hinweisschildern zu Wasserfällen, Höhlen oder Ruinen – eine Strecke reich an Sehenswürdigkeiten, doch wir haben nicht so recht Lust irgendetwas davon anzuschauen. 3 Monate Mexiko waren intensiv. Intensiv schön mit jeder Menge neuer Erfahrungen, unglaublich herzlichen Menschen und begeisternden Naturerlebnissen. Aber es waren auch intensiv anstrengende 3 Monate. Plötzlich fühlen wir uns randvoll, wie übersättigt; nicht fähig noch mehr in uns aufzunehmen, noch mehr Neues anzuschauen. Wir haben das dringende Gefühl, Dinge ersteinmal verarbeiten zu müssen und eigentlich sind wir reif für eine Reisepause. Da die aber nicht in Sicht ist, lassen wir sämtliche Schilder einfach links liegen und fahren schnurstracks in Richtung Süden noch nicht so richtig wissend, was wir jetzt mit uns und unserem Reisetief anstellen sollen. Je tiefer wir kommen, desto wärmer wird es und bald befinden wir uns wieder in der uns schon vertrauten mörderischen Hitze des mexikanischen Tieflands – diesmal nun allerdings schon mit Erfahrung damit und so macht es uns nicht ganz so viel aus wie beim ersten Mal. Noch dazu entdecken wir kurz vor der Grenze zu Guatemala ein kleines Paradies: die Lagos de Colon – eine Ansammlung von glasklaren, türkisblauen und kalten(!) Flüssen und Seen mit archäologischer Stätte am Ende des Parks. Wohl absolut einmalig in Mexiko! Um dieses Wunder ist eine Art Feriendorf gebaut, doch wir haben Glück; da wir unter der Woche ankommen, ist die Anlage fast menschenleer und wir beschließen vor dem Grenzübertritt hier einfach ein paar Tage zu bleiben und die Idylle zu genießen. Wir finden einen wunderschönen Zeltplatz im Wald direkt am Fluss und dank des erfrischenden Wassers, in das wir alle paar Stunden springen bleibt die tropische Hitze diesmal einigermaßen erträglich. Am Wochenende und in der Ferienzeit muss hier die Hölle los sein (die mexikanische Hölle wohl gemerkt), aber jetzt hat fast alles geschlossen, wir begegnen nur wenigen Leuten und genießen die ungewohnte Ruhe um uns herum. Ein schöner Abschied von Mexiko, das uns in jedem Fall ans Herz gewachsen ist.

Wohl fällt uns aber ein entscheidender Unterschied auf: Trotz der Idylle, sind im Dorf sämtliche Läden, egal wie klein, schwer vergittert. Statt einfach hineinzugehen, bleibt man hier draußen stehen und wird durch die Gitterstäbe bedient. Ein befremdlicher Anblick und wir fragen uns warum. “Wegen der Nähe zu Guatemala”, klären uns Einheimische auf, und es wiederholt sich ein uns schon wohl bekanntes Szenario: Jeder, dem wir erzählen, dass wir vorhaben, bald nach Guatemala zu gehen, hat böse Vorahnungen. “Muy peligroso!” (sehr gefährlich), ist was wir fast ausschließlich zu hören bekommen. “Hier in Mexiko seid ihr sicher, aber Guatemala….sei eher gefährlich.”, lautet das einstimmige Urteil. Mittlerweile haben wir ja schon jede Menge Erfahrungen mit solchen Aussagen und sind nicht mehr ganz so schockiert; ein mulmiges Gefühl und absolut keine Ahnung was uns erwartet haben wir aber dennoch als wir uns schließlich an unserem letzten Tag in Mexiko und damit auch Nordamerika der Grenze von Guatemala nähern. Ein neuer Reiseabschnitt beginnt!