Quebec

(8. Juni – 18. Juni 2015)

Nach dem längsten Winter, den wir beide je erlebt haben mit teilweise immer noch Frost und Schnee im Juni, kommt es uns nun schon gelegen, Richtung Süden zu fahren. Wir merken, dass wir jetzt wirklich mal etwas wärmere Temperaturen und vor allem weniger Wind gebrauchen können. Im Norden war es zwar aufregend schön, aber eben auch Kräftezehrend, ständig den rauen Elementen ausgesetzt zu sein und wir merken , dass wir uns nach Sommer sehnen.

Nochmal Staub und Schotter

Man hatte uns schon versprochen, dass auf uns noch mal ein schönes Stück Schotterpiste warten würde wenn wir durch das nördliche Quebec fahren. Man verspricht uns auch, dass es diese Straße in sich hat und ausgesprochen kurvig sei. Super, denken wir. Von abenteuerlichen Straßen können wir nicht genug bekommen! Als wir dann nur wenige Kilometer hinter der Provinzgrenze auf die besagte Straße einbiegen, merken wir gleich, dass man uns nicht zuviel versprochen hat: Diese Straße ist eher von der schlimmen Sorte Schotterpiste. Der „Grader“, der die vielen Schlaglöcher nach dem Winter normalerweise ausbessert und auf ein erträgliches Maß reduziert war anscheinend noch nicht hier; und so schwankt die Straßenqualität zwischen riesigen Schlaglöchern quer über die gesamte Straßenbreite, waschbrettähnlichen Wellen die uns und den Landy total durchschütteln und ausgefahrenen Rinnen. Alles wie versprochen sehr kurvig und über die gesamte Länge von 80 km. Unsere Geschwindigkeit reduziert sich diesmal auf allerhöchstens 40 km/h und so brauchen wir geschlagene 2,5 h für das Stück. Diesmal sind wir wirklich froh, wieder Teer unter den Reifen zu haben, auch wenn es kein besonders guter ist. Unsere Abenteuerlust ist für heute auf jeden Fall befriedigt.

Frühling – es gibt ihn tatsächlich!

Die Landschaft verändert sich erstmal kaum und wir fahren lange Zeit durch ein tundraähnliches karges Stück Land. Doch dann bemerken wir plötzlich etwas uns mittlerweile völlig fremdes: Zartes Grün an den immer größer werdenden Bäumen! Ja, es ist wirklich Grün, das immer mehr wird, und unsere Augen müssen sich erstmal an diesen Anblick gewöhnen. Fast fremd kommt es uns vor, als sich das zarte Grün in Hellgrün verwandelt und dann in dunkleres Grün, bis wir schließlich von satt grünen Bäumen umgeben sind. Wir müssen uns erstmal daran gewöhnen und fühlen uns wie in einer anderen Welt. Die Landschaft wird nun zunehmend hügelig und die Straße immer besser. Eigentlich kommen wir uns vor, als würden wir durch ein deutsches Mittelgebirge fahren, nur mit dem Unterschied, dass hier weit und breit kein einziges Dorf oder auch nur ein Haus zu sehen wäre.

Auf halber Strecke Richtung Baie Comeau, dem ersten Ort, der sich wieder in der „Zivilisation“ befindet, kommt eine Tankstelle, von der man uns schon vorneweg berichtet hatte, dass sie ihre Lage schamlos ausnutzen und ziemlich hohe Preise verlangen würde. Als wir anhalten, trauen wir unseren Augen kaum, denn der Preis für Diesel ist nicht nur ziemlich hoch – er ist unverschämt hoch: 1,82 CAD! Das ist Highway-Robbery! Gut, dass uns Einheimische verraten haben, dass es im ca. 100 km entfernten Manic 5 noch eine Tankstelle gibt und da sind die Preise um einiges besser!

SchlammKurz nach diesem Erlebnis wartet dann noch eine andere Überraschung auf uns: Die bis eben noch perfekt geteerte Straße geht plötzlich wieder in eine ausgefahrene Schotterpiste über. Dazu fängt es auch noch an zu regnen und bald fahren wir durch regelrechten Schlamm. Wir wissen nicht, wie lang sich dieses Stück ziehen wird, sind mittlerweile müde und haben jetzt eigentlich genug vom durchgerüttelt werden. Aber es zieht sich und zieht sich bis wir kurz vor Manic 5 erleichtert auf die Straße fahren. Wir passieren den gewaltigen Staudamm und halten kurz darauf neben der Straße an um erschöpft ins Bett zu fallen.

Kulturgeschockt

Als wir nach Wochen auf einsamen Straßen in Baie Comeau ankommen, müssen wir das erst einmal verarbeiten. Nicht nur das Klima hat sich drastisch geändert, auch die Straßen sind plötzlich voller Autos, Menschen und hektischem Treiben. Wir fahren von einem Gewerbegebiet zum nächsten und können über so viele Konsumtempel erstmal nur staunen. Ein Ort geht in den anderen über und es dauert eine Weile bis wir uns daran gewöhnt haben.

Pause vom unterwegs sein

Seit Wochen sind wir nun nur unterwegs, schlafen praktisch jede Nacht im Auto und seit Neufundland hatten wir auch kein richtiges Lager mehr. Wir sehnen uns nach etwas Ruhe an einem Ort und beschließen für ein paar Tage auf einen Campingplatz zu gehen. Das sollte kein Problem sein, denn schließlich befinden wir uns in touristischer Region am St. Lawrence Strom. Hier kann man Wale beobachten, Wandern oder einfach nur ausspannen. Perfekt, denken wir – bis wir mit den hier üblichen Campingpreisen Bekanntschaft machen. 30 CAD will man durchschnittlich für eine Nacht auf einem einfachen Platz ohne Strom haben, der noch nicht einmal besonders schön ist! Wir fahren von einem Campingplatz zum nächsten, müssen aber irgendwann einsehen, dass die Zeiten in denen wir für freundliche 15 CAD übernachten konnten nun wohl vorbei sind.

Schließlich finden wir bei St. Simeon einen ausgesprochen schönen und herzlichen Campingplatz (Camping Falaise sur Mer). Und auf diesem Platz finden wir dann auch noch den perfekten Platz mit wunderschöner Aussicht auf den St. Lawrence. Als wir nach dem Preis fragen, machen wir wieder lange Gesichter, aber die überaus herzliche Campingplatzbesitzerin gibt uns einen kleinen Preisnachlass und so bleiben wir gleich für 4 Nächte. Wir brauchen eine Pause, müssen dringend Wäsche waschen, die dicke Dreckkruste von unseren Fahrradketten irgendwie reinigen und dem Staub zuleibe rücken, der sich in all unseren Fächern auf den vielen Schotterpisten angesammelt hat. Außerdem kocht Gary eines seiner super leckeren Stews im Potjie auf offenem Feuer, die Brotbackform kommt endlich mal wieder zum Einsatz und wir probieren sämtliche Sorten vom hervorragenden Quebecer Bier.

Der St. Lawrence Strom ist bekannt für seine Vielzahl an Walen, die hier entweder dauerhaft leben oder vorbei kommen. Vor allem Belugas kann man vom Ufer aus oft in Scharen beobachten. So bekommen auch wir zu unserer großen Freude, zum ersten Mal Wale zu sehen. Am Anfang denken wir noch, es seinen weiße Steine draußen im Fluss, aber dann merken wir, dass sich diese Steine bewegen und entdecken schließlich, dass es Belugas sind, die zum Atmen auftauchen. An einem ohnehin schon wunderbaren Abend mit herrlichem Sonnenuntergang, schwimmt sogar ein größerer Wal (wahrscheinlich ein Minkwal) direkt an unserem Lager vorbei. Gary, der ohnehin gute Sinne für so was hat (ohne ihn, wäre ich ja schon an so manchem vorbei gelaufen), hört schon von weitem das Atemgeräusch, das in regelmäßigen Abständen immer näher kommt – bis der Wal mit einem lauten Prusten direkt bei uns auftaucht. Ein tolles Erlebnis!

Quebec City

Vieux Quebec ist romantisch – das hören wir von allen Seiten. Also ist klar, dass wir da hin müssen! Wir wissen erst noch nicht so richtig wie wir das anstellen sollen, denn für Großstadtbesuche sind wir nicht richtig ausgerüstet. Wir passen in kein Parkhaus, wollen den Landy mit all unseren Sachen da drin und Fahrrädern hinten drauf nicht einfach irgendwo abstellen und selbst wenn wir in ein Hostel gehen würden, bliebe damit immer noch das Parkproblem. Es gibt natürlich auch Stadtcampingplätze, aber auf die haben wir so gar keine Lust. Schließlich entscheiden wir uns, früh morgens los zu fahren, nah am alten Stadtzentrum zu parken und abends weiterzufahren, was sich als ganz gute Lösung herausstellt.

Die Altstadt ist wirklich romantisch. Wir spazieren durch die schönen alten fast europäisch anmutenden Gassen und über die terassenähnliche Promenade. Der Tag vergeht mit Bummeln, Eis essen, Fotos knipsen, viel knutschen und was man sonst noch so alles auf einem Stadtspaziergang macht. Eine schöne Abwechslung zu der ganzen Natur, finden wir!

Endlich mal wieder Klettern!

Nicht weit entfernt von Quebec City entdecken wir einen schönen natürlichen Campingplatz in einer Art regionalem Park mit sogar bezahlbaren Preisen. Eigentlich wollen wir nur die Nacht nach unserem Stadtbummel hier verbringen, aber dann entdecken wir zu unserer großen Freude direkt neben dem Campingplatz in einer Schlucht ein kleines Klettergebiet. Wir packen also unser Kletterzeug aus um auszuprobieren ob wir das noch können. Das Schild mit dem Hinweis, dass man hier nur klettern darf, wenn man Mitglied im Kletterverein von Quebec ist, übersehen wir mal – unser Französisch ist ohnehin nur rudimentär vorhanden und wahrscheinlich steht das auch was ganz anderes…

Es ist herrlich, mal wieder ein bisschen zu klettern, noch dazu in so schöner Umgebung. Und es tut uns gut, ein bisschen Sport machen – offensichtlich haben wir uns etwas Winterspeck angefressen im Norden. Kein Wunder: Unser Kekskonsum ist auf jeden Fall proportional mit sinkenden Temperaturen nach oben gegangen ;-)

„Das Buffet ist eröffnet!“

Eine Sache, von der wir bisher weitgehend verschont geblieben sind, sind die Mücken. Wir hatten zwar mal kurzzeitig mit den labradorschen Mücken Bekanntschaft gemacht, die anscheinend hart im Nehmen sind und auch bei Temperaturen von max. 10 Grad schon raus kommen, waren aber weitestgehend verschont geblieben. Wahrscheinlich ist es auch besser durch das weite Land zu fahren, solange es noch kalt ist, denn diese Mücken können einen das Fürchten lehren. Sie sind fast doppelt so groß wie die , mit denen wie bisher konfrontiert waren und haben zumindest bei Gary so eine Art allergische Reaktion ausgelöst mit beeindruckenden Schwellungen.

Als uns also in Quebec, die ersten Mücken umschwärmen, denken wir anfangs noch „wie niedlich“. Denn im Vergleich sehen diese hier total harmlos aus – sind sie aber natürlich nicht. Schon bald gehen sie uns gehörig auf die Nerven und wir kommen uns vor, als ob jemand in den Wald herein gerufen hat, dass das Buffet in Form von 2 frisch eingetroffenen Touristen jetzt eröffnet ist. Überhaupt sind die Mücken in Kanada viel schlimmer als in den meisten Gebieten von Europa. Über so was Citronella Kerzen können sie nur lachen. Direkt um die Flamme sieht man wirklich keine, aber das liegt wohl eher an der Hitze und nicht an dem Geruch. Auch direkte Sonne scheint ihnen nichts auszumachen. Bisher war ich es gewöhnt, dass man tagsüber seine Ruhe vor ihnen hat aber damit ist es jetzt vorbei. Gary, der das natürlich kennt, sprüht sich auch gleich ordentlich mit Insektenspray ein. Mir sind die 30% DEET (in Deutschland übrigens gar nicht zugelassen) schon etwas unheimlich und ich halte mich lieber an den Hinweis auf der Flasche, dass man das Zeug „sparsam“ anwenden soll – mit der Folge, dass ich in nur 2 Tagen volle 40 (nachgezählt) juckende Mückenstiche kassiere. Vor allem auf meine Füße haben es die Biester abgesehen und die sehen jetzt aus, als hätten sie irgendeine schlimme ansteckende Krankheit. Zum Teufel mit sparsam denke ich – ab jetzt wende ich das Zeug auch großzügig an.

Wir verbringen ein paar schöne Tage (bis auf die Mücken) bei der Schlucht bevor wir uns auf den Weg Richtung Westen machen. Bei heißem Sommerwetter nehmen wir diesmal den Highway um ein bisschen vorwärts zu kommen und erreichen noch am gleichen Tag die Grenze zu Ontario.

Mehr Fotos bei Flickr: Quebec