Yukon – Teil II

(24. September – 07. Oktober 2015)

Auch diesmal sind wir (vor allem ich) etwas nervös vor dem Grenzübergang – allerdings nicht ganz unberechtigt, denn meine Aufenthaltserlaubnis als Tourist in Kanada beschränkt sich schließlich auf 6 Monate – und die sind in genau einer Woche rum. Natürlich haben wir uns vorher informiert, was zu tun ist wenn man länger bleiben will und herausgefunden, dass man einen speziellen Antrag stellen kann. Ob man mit diesem nach einer Ausreise auch wieder rein gelassen wird kann einem natürlich niemand garantieren. Außerdem beträgt die Bearbeitungszeit mindestens 3 Monate, man braucht alle möglichen Unterlagen in digitaler Form, ein Passbild und hat Kosten von 100 CAD. Nach 3 Monaten wollten wir allerdings schon längst wieder aus Kanada ausgereist sein und so hatten wir uns gegen den Antrag entschieden und auf “schauen wir mal was an der Grenze passiert” gesetzt. Der Grenzbeamte in Beaver Creek ist freundlich, schaut aber mit strenger Miene. “Kommen sie herein in mein Büro und ich sehe was ich für sie tun kann.”, entscheidet er schließlich. In meinem Kopf spuken sämtliche Gedanken herum was wir wohl machen wenn er einfach sagt, ich hätte in einer Woche das Land wieder zu verlassen…Gary ist da viel lockerer und überzeugt davon, dass so etwas nicht passieren wird. Und er behält zum Glück recht. Nachdem wir einige Fragen über unsere Reiseroute, Finanzen und Versicherung beantwortet haben, bekomme ich für nocheinmal 4 Monate die Aufenthaltserlaubnis in Kanada. Der Grenzbeamte wünscht uns weiterhin eine schöne Reise und wir fahren erleichtert nun zum 2. Mal in den Yukon.

Kluane Nationalpark

Es ist empfindlich kalt und tief hängende graue Wolken verhindern jegliche Sicht als wir 20 km nach dem Grenzübergang den eigentlichen Ort Beaver Creek erreichen. Vom Mt. Logan, dem höchsten Berg Kanadas, sehen wir nichts und auch sonst bekommen wir gerade nicht viel mit von der sicher herrlichen Landschaft entlang dieses Teils des Alaska Highways. Am späten Nachmittag fällt Schneegriesel und je höher wir kommen, desto weißer wird die Landschaft. Wir begegnen ein paar Pferden, die unter dem Schnee nach spärlichem Gras scharen und haben das Gefühl, dass der Winter hier nun vollends Einzug hält. Am Kluane Lake schlagen wir unser Lager auf einem der sympathischen Yukon-Campingplätze auf und fühlen uns gleich heimisch. Gemütlich ist es allerdings nicht. Es weht ein eisiger Wind und in diesem Moment sind wir etwas neidisch auf die 2 Wohnmobile, die nicht weit von uns entfernt stehen. Natürlich können auch wir uns ins warme Auto zurück ziehen, aber kochen und abwaschen müssen wir draußen…Na gut, das ist recht schnell erledigt und wir verschwinden unter unsere warme Decke.

Am nächsten Tag werden wir vom Sonnenschein geweckt und entdecken erst jetzt wo wir eigentlich sind. Ein strahlend blauer Himmel überspannt den See und die umliegenden Berge – eine ganz andere Welt als gestern wo alles grau und wolkenverhangen war. Mit -6 Grad ist es ganz schön kalt, aber in der Sonne wird es schnell wärmer und wir verbringen den Morgen am See. Danach geht es weiter entlang des beeindruckenden Kluane Nationalparks. Wir nehmen einen Spaziergang auf dem Weg mit und picknicken mittags in dem kleinen Ort Haines Junction bevor wir in den Nationalpark zum Kathleen Lake fahren.

Im Sturm

Hey Baby!Der Campingplatz am Kathleen Lake hat schon geschlossen, aber es gibt eine hübsche öffentliche Hütte am See mit Holzofen, Tischen und Bänken. Normalerweise darf man dort nicht einfach so übernachten, aber nach Saisonende ist hier oben im Norden alles noch freier! Das Campingverbotsschild könne man zu dieser Jahreszeit getrost ignorieren, erfahren wir von Einheimischen, die schon am See ihr Zelt aufgeschlagen haben. Und so beschließen auch wir die Vorzüge der schönen Hütte zu nutzen. Bei unserer Ankunft ist es schon recht windig und beeindruckende Wellen schlagen an das Seeufer. Erst denken wir noch, dass es einfach nur ein klassischer Bergwind ist, der sich nach Sonnenuntergang wieder legt, aber beim Hereinbrechen der Nacht wird es umso heftiger. Die Fenster in der Hütte wackeln und der Landy, der direkt am See geparkt ist schwankt bei jeder Böe gewaltig. Langsam wird uns klar, dass wir es hier mit einem ausgewachsenen Sturm zu tun haben und unsere Stimmung wechselt zwischen abenteuerlicher Begeisterung und Besorgnis. Das wird sicher keine geruhsame Nacht, denken wir, und überlegen kurzzeitig ob wir nicht einfach in der Hütte schlafen sollten. Allerdings gefällt uns die Vorstellung, erstmal aufs Dach steigen zu müssen um Isomatten und Schlafsäcke aus den Kisten zu holen auch nicht besonders. Wir entscheiden uns schließlich ein Stück weiter weg vom See zu übernachten. Nur ein paar hundert Meter die Straße hoch gibt es einen Wanderparkplatz, der etwas geschützter liegt. Allerdings parken wir so dass uns kein Baum aufs Dach fallen kann. Die Bäume hier schauen zwar alle so aus, als hätten sie schon so manchem Sturm getrotzt, aber man weiß ja nie…Nach so einer Sturmnacht steht uns am nächsten Morgen ersteinmal der Sinn nach einem deftigen Frühstück in der gemütlichen Hütte – mit allem drum und dran. Im Ofen knistert das Feuer und es ist herrlich nun die Ruhe an diesem Ort zu genießen. Wir beschließen ein paar Tage zu bleiben und verbringen die Zeit mit spazieren gehen, Spiele spielen und Blog schreiben.

Eines Abends schauen besondere Besucher vorbei: Eine Elchfamilie! Wir hatten schon von dem riesigen Elchbullen gehört, der sich gerade jetzt zur Paarungszeit hier im Wald aufhält zusammen mit einer Kuh und deren 2 Kälbern. Als wir ihn dann plötzlich auf dem Parkplatz sehen, sind wir schwer beeindruckt! So einen Elch haben wir beide noch nie gesehen! Ein mächtiges Tier mit gewaltigen Schaufeln.Wir beobachten ihn eine Weile zusammen mit der Kuh und es ist klar, dass er zu dieser Jahreszeit nur eins im Sinn hat…

Whitehorse

Auf dem Weg nach Whitehorse haben wir eine unverhoffte Begegnung am Straßenrand: Endlich sehen wir einen Grizzly Bären! Wir waren schon enttäuscht, bisher noch überhaupt keinem begegnet zu sein, obwohl überall Bärwarnschilder hängen und fast jeder Alaskareisende mindestens eine Grizzlygeschichte auf Lager hat! Fasziniert beobachten wir den Bären wie er nicht weit von der Straße entfernt auf irgend etwas herumkaut und dann gemächlich seines Weges trottet. Wir freuen uns über die Begegnung, sind aber natürlich froh, ihn aus respektvoller Entfernung zu sehen und nicht unverhofft auf einer Wanderung oder beim Zelten auf dem Weg ins Gebüsch um gewisse Dinge zu verrichten.

Das Impf ”drama”

In der Hauptstadt vom Yukon haben wir vor allem etwas zu erledigen: Wir brauchen beide noch eine Hepatitisimpfung. Da uns das Thema Reiseimpfungen recht spät vor unserer Abreise eingefallen war, konnten wir keine vollständige Grundimmunisierung mehr durchführen und brauchen nun noch die letzte Impfung, die nach 6 Monaten fällig ist. Da dies nichts außergewöhnlich Seltenes ist, denken wir das sollte schnell erledigt sein. Wir fragen in der Touristeninfo nach, an wen man sich in so einem Fall wendet. Ganz offensichtlich interessiert man sich dort herzlich wenig für uns und unser Anliegen, schickt uns aber schließlich zum “Health and Human Services” – Gesundheitsamt? – da dort anscheinend alle Hepatitisimpfungen durchgeführt werden. Die Dame am Empfang schaut uns mit einem vielsagenden Blick an. “Also für sie”, damit deutet sie auf Gary, “ist das kein Problem. Aber für sie”, damit deutet sie auf mich, “wird es über 600 CAD kosten, da sie kein kanadischer Staatsbürger sind.” Wir glauben sie hat uns nicht richtig verstanden und wiederholen noch einmal weswegen wir hier sind; dass es sich nur um eine Wiederholungsimpfung handelt, keine Reiseberatung, Behandlung oder Sonstiges. Zum besseren Verständnis zeigen wir unsere Impfpässe und meinen, dass die Sache damit nun klarer ist. Die Frau schaut unbeeindruckt und fügt noch hinzu: “Die 600 CAD bezahlen sie nur um dem Arzt überhaupt die Hand zu schütteln, egal was sie wollen, weitere Leistungen sind da noch gar nicht dabei. Der Impfstoff und die Injektionen kommen natürlich noch hinzu. Das ist hier ganz normal.” Eine Weile sind wir völlig sprachlos und dann merke ich wie plötzlich eine unbändige Wut in mir aufsteigt. Es geht hier schließlich nur um eine simple Injektion, bei der wir den Impfstoff ohnehin selbst bezahlen müssen. Wie kann man für nichts 600 CAD verlangen?? Augenblicklich muss ich meinem Ärger Luft machen, wonach die arme Frau ganz verunsichert aussieht. Schon tut es mir auch wieder leid; sie kann ja schließlich nichts dafür. Sie rät uns, es bei anderen Kliniken zu versuchen, glaubt aber nicht dass es viel günstiger wird.

Verwirrt stehen wir auf dem Parkplatz und wissen erstmal nicht was wir machen sollen. Über 600 CAD für eine Impfung!! Es ist nicht zu fassen! Es muss einen anderen Weg geben! Natürlich haben wir eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen, aber Reiseimpfungen werden dadurch nicht bezahlt. Auch in Deutschland war dies eine Privatleistung, allerdings zu ganz anderen Preisen…Wir beschließen erstmal in der Apotheke nachzufragen, denn normalerweise dürfen Apotheker in Kanada Impfungen verabreichen – allerdings nicht im Yukon wie wir erfahren. Jede Provinz regelt das anders und hier ist es nicht erlaubt. Ich überlege kurzzeitig, ob ich das nicht selber machen sollte, schließlich ist es ja nur eine Injektion in den Muskel, weiter nichts. Allerdings habe ich aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund Probleme damit, in Menschen zu stechen; und bei dem Gedanken daran erst in meinen eigenen Ehemann und dann in mich selbst zu piecksen bin ich ganz besonders gehemmt. Wenn es also nicht unbedingt sein muss überlasse ich das lieber jemand anders. Wir bekommen den Tipp zur “Walk in Clinic”, also einer Klinik bei der man keinen Termin braucht, zu gehen. Allerdings verstehen wir anscheinend die Adresse falsch und landen bei einer anderen Klinik – unser Glück! Man gibt uns auch dort erstmal zu verstehen, dass so etwas viel Geld kosten wird, egal wohin wir gehen, aber dass wir hier generell sowieso falsch sind. Wir müssen wirklich verzweifelt ausgesehen haben, denn eine Ärztin, die das Gespräch am Rande mitbekommen hat, mischt sich plötzlich ein. “Ich kann das machen.”, sagt sie aus dem Hintergrund. “Heute habe ich keine Zeit, denn ich hänge mit meinen Terminen sowieso schon hinterher. Morgen bin ich nicht da, aber übermorgen können sie gleich morgens vor der Sprechstunde kommen. Kein Problem.” Jetzt sind wir wieder sprachlos und trauen uns kaum zu fragen, was es denn kosten wird. Aber bei dem Thema winkt sie gleich mit den Worten “Ich mag diese ganze Bürokratie sowieso nicht” ab. “Es kostet nichts. Sie müssen nur den Impfstoff mitbringen.” Nun sind wir endgültig sprachlos! Nachdem sie wieder im Sprechzimmer verschwunden ist, raunt uns die Arzthelferin zu: “Also ihr habt wirklich Glück, dass sie heute hier ist. Ihr seid zur richtigen Zeit am richtigen Ort.” Ja, das sind wir! Richtige Glückspilze sind wir gerade. Und wir sind gerührt: Solchen Menschen begegnet man nur selten: eine wirklich mitfühlende Ärztin, der wir sehr sehr dankbar sind!

Eine gute Zeit

Da wir nun ein paar Tage in Whitehorse bleiben, brauchen wir eine Unterkunft – und zwar eine schöne! Zu unserem Hochzeitstag hatten wir ja so gar keinen Luxus und beschließen daher das jetzt nachzuholen und uns in einem B&B einzumieten. Unser chinesischer Gastgeber im Midnight Sun B&B ist nicht nur sehr sympathisch sondern auch ein ausgesprochen guter Geschäftsmann: Er schafft es sogar, uns das etwas teurere Zimmer mit Jacuzzi Bad zu vermieten, statt dem günstigeren mit Gemeinschaftsdusche. Da das Zimmer wirklich schön ist, lassen wir uns dazu überreden und genießen es voll und ganz nach langer Zeit mal etwas Luxus zu haben. Auch in anderer Hinsicht ist das Midnight Sun B&B eine gute Wahl, denn wir lernen Gillian dort kennen – eine 69 jährige viel gereiste Lady aus Toronto, die anläßlich ihres 70 Geburtstages beschlossen hatte eine große Reise zu unternehmen. Auf abenteuerlichen Wegen war sie mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln über Edmonton und Yellowknife schließlich nach Whitehorse gereist – um festzustzellen, dass sie jetzt hier festsitzt! Zu dieser Jahreszeit ist es wirklich abenteuerlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln so weit im hohen Norden zu reisen, denn die Saison ist wie schon erwähnt kurz und der Zug nach Skagway, Alaska, den Gillian eigentlich nehmen wollte fährt seit einer Woche nicht mehr. Nun hatte sie aber schon das Ticket für das Schiff gekauft, sowie die Weiterfahrt von Prince Rupert per Zug nach Banff reserviert, um dort mit ihren Kindern den 70. Geburtstag zu feiern. Als wir ihr begegnen sieht sie wirklich verzweifelt aus. Alles hatte sie schon versucht um eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen: Aushänge in der gesamten Stadt, bei Busgesellschaften nachgefragt und sogar einen Aufruf übers Radio gestartet – aber niemand hatte sich bisher gemeldet…und in 3 Tagen würde das Schiff abfahren! Wir verstehen uns auf Anhieb gut und suchen zusammen nach einer Lösung. Schließlich vereinbaren wir dass, sollte sich tatsächlich nichts ergeben, wir sie irgendwie dort hin bringen. Allerdings sind wir uns sicher, dass das Glück eine Frau wie Gillian nicht so einfach verläßt – und wir behalten Recht: Am Ende hat sie 3 Mitfahrgelegenheiten und kann sich eine aussuchen! Bis dahin verbringen wir viel Zeit miteinander. Wir haben uns viel zu erzählen, führen stundenlange spannende Gespräche und lachen viel. Unser Gastgeber läßt uns seinen eigens aus China importierten Lieblingstee probieren; das Frühstück wird für alle Gäste zusammen an einem großen Tisch serviert und wir fühlen uns fast wie in einer Familie. Wir spazieren durch die Stadt und entdecken das “Baked”, ein nettes Café, mit den leckersten Scones, die wir je gegessen haben – außer Garys selbst gemachte Scones natürlich; an die kommt so schnell nichts ran! Im Baked treffen wir auch deutsche Auswanderer wieder, denen wir schon in Haines Junction begegnet waren und verbringen fast den ganzen Nachmittag dort bei gutem Kaffee und tollen Gesprächen.

Whitehorse mag nicht die schönste Stadt sein, aber sie ist sympathisch. Wenn man durch die Straßen geht, bekommt man fast überall ein Lächeln geschenkt was einfach herzlich ist. Wir haben so viele tolle Menschen kennen gelernt und dort einfach eine richtig gute Zeit verbracht. Bei der Abreise steigen mir Tränen in die Augen…

Carcross – nachts in der Wüste

Carcross DesertStändig bekommen wir unterwegs die verschiedensten Tipps, was wir unbedingt anschauen oder in einer Region unternehmen sollten. Viele davon lassen sich oft gar nicht mit unserem Reisestil oder unserer Reiseroute vereinbaren, aber manchmal ist eben doch einer dabei, der Gold wert ist. So hatten wir den Tipp bekommen, doch unbedingt einen Abstecher nach Carcross zu machen und sind nun auf dem Weg dorthin. An diesem Tag erreichen wir den eigentlichen Ort jedoch gar nicht, denn vorher werden wir von der “Carcross Wüste” in den Bann gezogen. RIMG0559Eigentlich ist es keine richtige Wüste im geologischen Sinn, sieht aber genauso aus. So etwas erwartet man überhaupt nicht im hohen Norden! Die Abendsonne strahlt golden auf den hellen Sand und wir beschließen sogleich hier zu übernachten. Im Sommer in der Hauptsaison wäre das sicher nicht so einfach, aber wie bereits erwähnt hat es durchaus Vorteile, später unterwegs zu sein :-) Ganz offensichtlich sind wir auch nicht die ersten Übernachtungsgäste wie einige Feuerstellen besagen. Die Nacht wird kalt und sternenklar, und sogar etwas Polarlicht läßt sich am Himmel blicken. Natürlich müssen wir heute noch eine Nachtwanderung unternehmen! Dick angezogen laufen wir ein Stück weit auf dem weichen Sand und bewundern die Sterne. So einen Übernachtungsplatz hat man wirklich nicht alle Tage!

Am Morgen besuchen wir dann auch Carcross selbst und schließen den kleinen Ort sofort ins Herz. Beim Spaziergang durch die umliegenden Dünen fängt es sachte an zu schneien – ein schöner Wintergruß, der uns aber auch daran erinnert, langsam den Weg in Richtung Süden anzutreten…Im einzigen noch offenen Café, das übrigens in einem der wunderschön mit native art bemalten Häuser untergebracht ist, wärmen wir uns auf bevor wir die Weiterreise antreten.

Atlin, BC

Einen weiteren genialen Tipp hatten wir kurz vor unserer Abreise in Whitehorse bekommen. Der freundliche Verkäufer im Käseladen hatte uns ans Herz gelegt, doch unbedingt Atlin einen Besuch abzustatten. Wir müssen erstmal auf der Karte nachschauen, und finden heraus, dass Atlin gar nicht im Yukon liegt, sondern im äußersten Norden von British Columbia. Allerdings ist es per Straße nur vom Yukon aus zu erreichen und wird auch von dort aus versorgt. Da für die nächsten Tage recht schönes Wetter angesagt ist, beschließen wir den Abstecher von 100 km zu machen – und verstehen auch sogleich, was der nette Herr meinte! Eingebettet zwischen hohen Bergen, liegt der kleine Ort malerisch an einem großen See, der mit zahlreichen kleinen Inseln übersäet ist. In der warmen Nachmittagssonne fühlt es sich fast paradiesisch an hier am Ufer entlangzuspazieren!

Out-houseEtwas außerhalb finden wir einen liebevoll von Einheimischen angelegten und gepflegten Campingplatz. Man spürt richtig, dass dies ein Herzensprojekt ist, denn sogar die Toilettenhäuschen sind individuell und offensichtlich mit viel Hingabe errichtet worden! Bezahlt wird per Kasse des Vertrauens in irgendeinem beliebigen Laden im Ort. Für so etwas geben wir gerne die 10 CAD aus! Wir sind die einzigen Gäste und haben die große Auswahl. Da es auch reichlich gutes Feuerholz gibt, verbringen wir seit langer Zeit endlich mal wieder einen Abend am Lagerfeuer und lassen uns geröstete Marshmallows schmecken.

Am nächsten Tag steigen wir auf den nahe gelegenen Monarch Mountain, von dem man einen herrlichen Ausblick auf den See und die umliegenden Berge hat. Auch eine andere “Attraktion” der Region wollen wir nicht verpassen: die “Warm Springs” – ein kleiner Tümpel auf einer Wiese, in dem es tatsächlich warmes Wasser gibt! Aufgrund dieser Wassertemperaturen umgibt ihn eine Oase aus kräftigem Grün und wir entdecken jede Menge kleine Schnecken, die hier ihr Zuhause haben.

Am Nachmittag finden wir entlang der “Warm Springs Road” einen anderen herrlichen Platz direkt am See und beschließen hier die Nacht zu verbringen. Wir sitzen am Strand in der Sonne mit Kaffee und Keksen und für einen Moment fühlt es sich so an, als wäre der Winter noch weit weg. Sogar die Brotbackform kommt an diesem Tag endlich mal wieder zum Einsatz und Gary kocht im Potji über dem Feuer. Nach Sonnenuntergang wird es allerdings eiskalt. Trotz Lagerfeuer müssen wir uns dick anziehen, können aber dafür den wunderbar sternenklaren Nachthimmel bewundern. Am nächsten Morgen sind die Fensterscheiben von innen zum ersten Mal mit einer Eisschicht überzogen – etwas an das wir uns von jetzt an gewöhnen müssen…

Stille

Mittlerweile ist es Anfang Oktober und es ist deutlich zu spüren wie sich alles auf den nahenden Winter vorbereitet. Die Zugvögel sind verschwunden, die Bäume haben keine Blätter mehr, Saisonarbeiter sowie die meisten Touristen sind längst auf dem Weg in Richtung Süden und das Land wird sehr still. Es ist ohnehin schon wunderbar ruhig im Norden, aber jetzt erfahren wir etwas, das wir als absolute Stille bezeichnen. Es ist so still, dass man nur seinen eigenen Atem und vielleicht seinen Herzschlag hört – sonst nichts. So eine völlige Ruhe hatten wir bisher nur in Nordnorwegen erfahren und sie dort als etwas ganz Besonderes schätzen gelernt – hier erleben wir sie nun jeden Tag. Wir übernachten am Squanga Lake und obwohl der Campingplatz direkt neben dem Alaska Highway liegt ist es auch hier absolut still. Kein Lüftchen regt sich und nachts spiegeln sich die Sterne im Wasser. Über den Bergen schimmert dazu ein Hauch Polarlicht und wir stehen reglos am Ufer und nehmen den Moment voll und ganz in uns auf. Die Stille ist durchdringend. Nicht nur das Land wird still, auch man selbst wird ganz ruhig und klar in dieser fast märchenhaften Umgebung. Es ist ein großes Geschenk, das wir dankbar und glücklich annehmen.

Am Morgen zeigt das Thermometer -10 Grad – unser bisheriger Kälterekord der Reise. Unser Wasser ist teilweise eingefroren und alles was wir für die Zubereitung des Frühstücks brauchen, friert sofort am Tisch fest! Gut dass es genug Feuerholz gibt. Wir sind ohnehin dazu übergegangen bei diesen Temperaturen sofort nach dem Aufstehen ein Feuer zu entfachen. So dicht wie möglich rücken wir an die Flammen und wärmen uns mit heißem Tee und Porridge auf – ohnehin das beste Frühstück wenn es kalt ist, wie wir finden. Der See ist in dieser Nacht ein ganzes Stück weiter zugefroren. Noch einmal stehen wir am Ufer und nehmen den Zauber der Stille in uns auf bevor wir den Motor starten und weiter fahren.

Die letzte Nacht im Yukon verbringen wir, nun zum 2. Mal, in Watson Lake – allerdings nicht so wie eigentlich gedacht. Ab dem 1. Oktober sind auch hier alle Campingplätze offiziell kostenfrei – wenn sie nicht durch eine Schranke verschlossen sind. Der Campingplatz bei Watson Lake hat leider so eine Schranke und nun stehen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit wortwörtlich vor verschlossenen Toren und aus einem gemütlichen Abschiedsabend am Lagerfeuer wird anscheinend nichts…Dafür beschließen wir in “Kathys Kitchen”, einem netten kleinen Restaurant essen zu gehen und suchen uns dann einen Platz am Waldrand etwas außerhalb der Stadt. Es ist nicht gerade der schönste Übernachtungsplatz aber wieder werden wir in dieser Nacht überrascht: Als ich irgendwann noch einmal für kleine Mädchen nach draußen muss ist es wieder da – gigantisches Polarlicht! Wie schon in Alaska ist der ganze Himmel hell erleuchtet und das Nordlicht flackert und tanzt lebendig über unseren Köpfen. Unser Platz erweist sich schließlich als äußerst gut für solche Beobachtungen und wir sind voll und ganz zufrieden mit unserem letzten Abend im Yukon. Ein großartiges Feuerwerk des Nordens bekommen wir zum Abschied geschenkt und sind gerührt! Wir haben uns richtig gehend in den Yukon verliebt und sind fest entschlossen wieder zu kommen. Auf jeden Fall hat er einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen.

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3 Kommentare
  1. Angelika Jung
    Angelika Jung sagte:

    Hallo Frederike, hallo Gary, wir hoffen Ihr habt Weihnachten und Silvester gut und sicher verbracht. Bei uns ist alles beim Alten.
    Letzte Woche haben wir wieder zwei Briefe von Euch weitergeleitet. Sie sind am Montag wieder zurück gekommen. Hat sich die Adresse geändert? Schreibt doch mal bei Gelegenheit, falls es eine neue gibt. Sonst wünschen wir Euch weiterhin alles Gute und noch mehr schöne Erlebnisse.
    Liebe Grüsse Rudi und Geli

  2. Gudrun Maria Riedel
    Gudrun Maria Riedel sagte:

    Liebe Frederike,
    einfach nur faszinierend. Was für ein reiches gemeinsames Leben Ihr habt. Ich bin total beeindruckt und freue mich für Euch. Bleibt weiterhin behütet. Ganz, ganz liebe Grüße: Deine Gudrun

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