Landrover Motor with radiator removed

Mechanical Mysteries – a Late Night Comedy

All die Topes (Bodenwellen zur Geschwindigkeitsbegrenzung) waren ein bisschen viel für unsere alten Stoßdämpfer und Federn, insbesondere nachdem wir ja ein paar Mal völlig überraschend und daher ungebremst darüber gebrettert waren. Daher beschließen wir eine Pause in der Overlander Oasis in Oaxaca einzulegen und bestellen schonmal vorab ein komplettes Set Terra Firma Stoßdämpfer sowie neue Frontfedern. Außerdem erscheint es uns sinnvoll, gleich einen neuen Temperatursensor mitzubestellen, denn seit wir uns in wärmeren Klimazonen befinden, klettert die Temperaturanzeige unseres Motors bei jeder längeren Steigung stark nach oben.

Heiß oder nicht?

Die Temperaturanzeige des Landys zeigt nicht die eigentliche Temperatur in Zahlen an. Es gibt nur schwarz, weiß und schließlich ganz rechts rot. Nach dem Erdungsproblem, womit ich mich nach der Kupplungsreparatur im Yukon herumgeschlagen hatte, war die Nadel nie wieder über die Mitte hinaus gegangen. Ich hatte trotzdem ständig ein Auge darauf, nur um sicher zu gehen, doch bis Südkalifornien blieb alles bestens. Nach den ersten sommerlichen Temperaturen im Death Valley und einer längeren konstanten Steigung hinaus aus dem tiefsten Tal Nordamerikas kletterte die Nadel aber plötzlich auf das was ich die ¾ Marke nennen würde. Kein Grund zur Panik, doch definitiv einer zum anhalten. Dies wiederholte sich ab jetzt in schöner Regelmäßigkeit und ich begann mich zu fragen ob wohl langsam das Thermostat den Geist aufgeben wollte. Wir bestellten also lieber ein Neues an unserem nächsten Ziel Joshua Tree, nun froh darüber zumindest eines dabei zu haben, sollten sich die Befürchtungen bestätigen. Da Mexikos Baja im Vergleich zum Festland relativ flach ist, war das Problem bis dahin schon fast wieder vergessen, doch auf dem Festland mit seinen weitaus höheren Steigungen und Temperaturen dafür präsenter als je zuvor. Es ist nicht gerade eine Freude, auf einer Schnellstraße bei sengender Hitze bei jeder Steigung anhalten zu müssen; und so entschloss ich mich bei Etzatlan das Thermostat nun doch endlich auszutauschen. Das Beste was ich dafür finden konnte war ein staubiges Stück Land etwas außerhalb unseres Campingplatzes. Zum Glück haben es die Land Rover Designer leicht gemacht das Teil einfach zu erreichen denn es befindet sich an der höchsten Stelle des Motors, was es mir ermöglichte den Austausch ohne viel Verlust von umweltschädlicher Kühlerflüssigkleit zu bewerkstelligen. doch nach der ersten längeren Steigung stellte sich sogleich heraus, dass die Arbeit vollkommen umsonst war, denn die Nadel verhielt sich imnmernoch genau gleich und kletterte wie gewohnt nach oben in Richtung Rot.

Der ‚Baloo‘ von Oaxaca

Calvin von der Overlander Oasis in Oaxaca war ein ziemlich aktives Mitglied der Rennszene und hat daher einige gute Kontakte zu Mechanikern, die uns mit unseren vorgesehenen Arbeiten am Auto helfen könnten und so planen wir gleich einen etwas längeren Aufenthalt ein. Als erstes nehmen wir den Austausch der zuvor bestellten Stoßdämpfer und Federn, sowie des Differenzialöls in Angriff. Dazu machen wir am nächsten Tag Bekanntschaft mit Marco, der eine kleine wohl organisierte VW Werkstatt führt. Marco ist ein Riese von einem Mann, fast so breit wie Frederike und ich zusammen und bei unserer Ankunft bietet sich uns als erstes ein überaus skurriler Anblick: der riesige Marco hängt tief vorgebeugt mit verrutschter Hose und halb nacktem Hintern über der offenen Motorhaube eines alten VW Scirocco. Wir schauen uns beide an und haben Mühe nicht laut loszulachen bei der fotoreifen Szene. Irgendwann bemerkt er uns schließlich und begrüßt uns, nun mit hochgezogener Hose, mit einem herzlichen Lachen. Wie ein großer Teddybär kommt er uns vor, der mich fast an Baloo aus dem Dschungle Buch erinnert. Nach ein paar Minuten macht er jedenfalls nicht nur einen sympathischen sondern auch sehr kompetenten Eindruck auf uns; und trotz seiner Spezialisierung auf VW haben wir keine Bedenken, ihn mit der Arbeit allein zu lassen – etwas das sonst nicht selbstverständlich für uns ist. Am Abend finden wir dann den Landy um einiges höher vor, mit einem Unterschied von ganzen 5 cm, was das Einsteigegefühl ganz anders erscheinen läßt und sind sehr zufrieden, nun mit weitaus mehr Stabilität die mexikanischen Straßen zu befahren. Was uns jedoch nicht sofort auffällt, ist dass die Beifahrerseite etwas höher erscheint als die Fahrerseite; und so richtig wird mir das erst klar als wir beim Zelten ständig einen Keil unter ausschließlich die linke Seite legen müssen um das Auto gerade zu bekommen. Erst dann finden wir heraus, dass die Federn für Land Rover 2 verschiedenen Höhen für Fahrer – und Beifahrerseite haben. Marco wusste das anscheinend auch nicht und wahrscheinlich konnte er auch nichts mit dem aufgedruckten DS (driver side) und PS (passenger side) anfangen, das ich nun entdecke. So stehen wir nun – Wochen später und mittlerweile weit weg von Oaxaca – mit einem permanent schiefen Auto da und es ist klar, dass das so nicht bleiben kann. Genervt, das nicht vorher bemerkt zu haben gehen wir in San Cristóbal eine neue Austauschaktion an, die sich allerdings weitaus schwieriger gestaltet als gedacht. Denn in dieser Stadt scheint es fast unmöglich zu sein jemanden zu finden, der bereit ist die Federung unseres Landys auch nur anzuschauen. Land Rover gibt es in Mexiko praktisch nicht und somit bekommen wir die immer gleiche Antwort, die man vereinfacht als “Kenn ich nicht, mach ich nicht” abkürzen könnte. Entnervt finden wir schließlich endlich eine Hinterhofwerkstatt, die zumindest das nötige Gerät hat und sich bereit erklärt zusammen mit mir und nach Anleitung den Austausch vorzunehmen – wiedermal ein Erlebnis für sich!

„Sucio, muy sucio!“

Noch in Oaxaca wartet natürlich noch der weitaus schwierigere Teil der Reparaturen auf uns: das immernoch nicht gelöste und leidige Überhitzungsproblem. Dafür macht uns Calvin mit Misael bekannt, der eine kleine Spezialwerkstatt für Kühler direkt um die Ecke von Marco betreibt und anscheinend auch ein aktives Mitglied der Rennszene war. Was uns erst nach und nach klar wird, ist dass er, wie Calvin sich diplomatisch ausdrückt, eine Art hat sich in Kleinigkeiten zu verlieren. Was das genau bedeutet wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Wie auch immer, es stellt sich heraus, dass Misael ein echtes Original ist.

In seiner Werkstatt sieht es jedenfalls aus wie geleckt und man könnte dort ohne Übertreibung vom Boden essen – etwas dass wir so gar nicht erwartet hätten in Mexiko. Mit unserem fast nicht existenten Spanisch und Google translate erklären wir ihm die Situation so gut wie möglich und versuchen auch irgendwie verständlich zu machen, dass das Auto quasi unser Haus ist, und wir es unbedingt am Abend wieder brauchen zum Übernachten. Wir einigen uns auf einen Termin für den nächsten Vormittag, aber da Federike bis dahin mit Lebensmittelvergiftung zu tun hat, beschließt sie lieber bei der Overlander Oasis zu bleiben. Ich mache mich früh am nächsten Tag auf den Weg in der Hoffnung, tatsächlich alles bis zum Abend erledigt zu haben. Im Vergleich zu Marco, dem riesen Bären, ist Misael eher klein und kompakt gebaut, ernst aber freundlich, überaus penibel mit einem fast zwanghaften Reinlichkeitssinn und höchstwahrscheinlich Napoleon Komplex. Er bellt ein paar Kommandos zu seinen Angestellten, die eilig aufspringen und sich sofort daran machen, den Grill abzubauen um Zugang zum Kühler zu bekommen. Innerhalb nur weniger Minuten sind Ladeluftkühler, Kühler, Schläuche und jedes einzelne kleine Teil was auch nur mit Kühlerflüssigleit in Kontakt kommen könnte zum Werkstattende transportiert und ein Arbeiter ist sogleich emsig damit beschäftigt, sämtliche Schläuche zu reinigen. Misael schickt den Kühler per Mopedkurier zum reinigen und teilt mir dann mit, zwischen 18:00 und 19:00 Uhr wiederzukommen, wenn alles erledigt und wieder an seinem Platz sein soll. Vollkommen beeindruckt von dem ziemlich unmexikanischen Schauspiel dass sich mir da gerade geboten hat, spaziere ich ein weiteres Mal in die Stadt um mir irgendwie die Zeit bis zum Abend zu vertreiben.

Bei so einem energischen Vorgehen hatte ich erwartet den Landy bei meiner Rückkehr um 18:00 Uhr längst fertig und abholbereit vorzufinden. Doch falsch; zu meinem Entsetzen entdecke ich ihn dort noch genauso wie am Morgen – komplett auseinandergebaut und kein bischen weiter als wie ich ihn zuletzt gesehen hatte. Anscheinend war der Kühler in ähnlichem Zustand zurück von der Reinigung gekommen, vollkommen auseinandergenommen und jede einzelne Lamelle separat gereingt! Die Jungs bei Misael waren nun immernoch damit beschäftigt alles wieder zusammenzulöten. Man stelle sich das einmal vor! In fast jedem anderen Land, hätte man wahrscheinlich einfach einen neuen Kühler bestellt wenn ein einfaches Durchspülen nicht ausgereicht hätte, doch nicht in Mexiko! Arbeitslöhne sind hier niedrig genug um Dinge immernoch lieber zu reparieren anstatt sie einfach auszutauschen. Beeindruckend und so viel angenehmer als die Wegwerfgesellschaft, die wir normalerweise gewöhnt sind. Trotzdem bin ich gerade nicht besonders begeistert über die Situation, denn ich denke an Frederike, die schon den ganzen Tag krank mit nichts als unserem Tisch und Stühlen in der Hitze verbringt. Unruhig stehe ich am Rand des Geschehens und kann nichts anderes tun als der langwierigen Arbeit zuschauen und mir wünschen, das der Bursche, der gerade mit der Lötarbeit beschäftigt ist ein bißchen mehr Gas gibt. Als er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich fertig zu sein scheint, taucht er das Ganze  in eine Art Wasserbad um die Dichtigkeit zu testen. Ohne Frage eine wichtige Sache, aber langsam fange ich an zu denken dass das heute nie fertig wird. Als dann schließlich doch alles soweit ist um den Landy wieder zusammenzubauen kommt Misael herüber – nicht begeistert!  Und jetzt wird mir auch klar, was mit ‘sich in Kleinigkeiten verlieren’ gemeint war; und seine Sauberkeitsliebe entpuppt sich nun als regelrechter Sauberkeitswahn. Seine Arbeiter hatten nicht das Öl weggewischt, das beim Ausbau des mit dem Kühler verbundenen Ölkühlers ausgelaufen war. Er wirft einen kurzen Blick auf die Sache macht eine abwertende Handbewegung und geht dann mit angewidertem Gesichtsausdruck und kopfschüttelnd davon – genug um sofort einen der Arbeiter aufspringen zu lassen und alles eiligst wegzuwischen. “WTF”, schießt es mit durch den Kopf, “Echt jetzt? Es ist 21:30 Uhr, seine Leute arbeiten bereits Überstunden, Frederike sitzt da draußen krank im Dunkeln, wahrscheinlich mittlerweile besorgt, und er regt sich über ein paar Spritzer Öl und ein bißchen Dreck auf?!” Da ich nun nicht mehr an mir halten kann, sage ich ihm, dass er sich um sowas keine Gedanken zu machen braucht und mich das bißchen Schmutz überhaupt nicht stört. Ich erzähle ihm auch, dass meine Frau krank und ohne jegliche Annehmlichkeiten auf mich wartet und es mittlerweile doch schon wirklich spät ist. Doch es nützt alles nichts, denn er antwortet nur “Sucio, muy sucio!” (schmutzig, sehr schmutzig) und setzt sich in aller Seelenruhe hinter seinen Schreibtisch, meinen mittlerweile flehenden Blick völlig ignorierend. Eine halbe Stunde später sind die Jungs schließlich fertig mit der Putzaktion und ich habe die vage Hoffnung, das es nun endlich los geht mit dem Zusammenbau des Landys. Doch nicht unter Misaels strengem Auge, denn nach seiner Auffassung sind die Arbeitsbedingungen immernoch nicht makellos und anscheinend gibt es da irgendwo immernoch ein Fleckchen Öl, wo es nicht hingehört. Der angsterfüllte Blick auf dem Gesicht des Jungen, der gerade geputzt hatte spricht Bände und schleunigst poliert er die Stellen nochmals an denen Misael noch was gesehen hatte. “Oh bitte, halt’ das Ganze hier nicht noch länger auf und bau das verdammte Teil einfach wieder zusammen.”, denke ich inständig. Doch mit seinem Putzwahn jetzt in vollem Gang, reicht es immernoch nicht und Misael deutet noch ein paar Mal auf Stellen die anscheinend noch nicht lupenrein sind. Ich befürchte schon, dass er gleich anfängt, das gesamte Auto gründlich zu waschen – wobei ich dann wohl definitiv die Beherrschung verlieren würde. Mein Puls war ohnehin in der letzten Stunde stetig nach oben gewandert und die letzen paar Minuten hatten sich auch noch nicht gerade gewaltfreie Gedanken dazu gesellt. Dann klingelt plötzlich Misaels Telefon. Es ist Calvin, der fragt wo ich denn um Himmels Willen stecke. Wie erwartet hatte sich nicht nur Frederike Sorgen gemacht (für diejenigen, die sich jetzt im modenen Zeitalter fragen: wir benutzen aus verschiedenen Gründen seit dem ersten Reisemonat kein Handy mehr), sondern mittlerweile bereits die gesamte Overlander Oasis. In der Hoffnung, dass auch Misael dadurch endlich merkt wie spät es ist, erkläre ich Calvin, dass es nun wohl nicht mehr allzu lange dauern sollte und so beschleunigt sich die Arbeit endlich etwas. Um 22:30 Uhr ist der Kühler schließlich wieder provisorisch drin – ohne Thermostat und nur mit Wasser, was bedeutet am nächsten Tag noch mal wieder kommen zu müssen. Doch momentan ist mir das vollkommen egal; meine Nerven sind deutlich überstrapaziert und ich bin froh diesen Ort für heute endlich verlassen zu können. Es fällt mir schwer auf dem Rückweg nicht wie ein Wahsinniger zu rasen und schließlich angekommen werde ich vom gesamten Platz mit großem Spektakel empfangen. Alle hatte sich Sorgen gemacht und niemand kann so richtig glauben, dass es sowas mitten Mexiko gibt!

Misael, 2. Akt, Szene 1

Nach einer sehr kurzen Nacht breche ich am nächsten Tag wieder auf zu Misael. Ich befürchte, dass es abermals den ganzen Tag dauern wird und beschließe daher heute lieber dabei zu bleiben um nötigenfalls das Tempo etwas beschleunigen und die schlimmsten Reinlichkeitsauswüchse Misaels abbremsen zu können. Peter, ein anderer deutscher Overlander war mitgekommen, denn sein Kühler hat ein Leck. Da Misaels Arbeit an sich mehr als exzellent ist, hatte er beschlossen ihm auch sein Fahrzeug anzuvertrauen – mit den selben Konsequenzen, die ich ihm ja schon eindrucksvoll beschrieben hatte: es dauert. Wie lange sich das dann am eigenen Leib anfühlt war Peter aber anscheinend doch nicht so ganz klar gewesen.

So begeistert wir von Misaels Arbeit sind, umso geschockter sind wir jedoch von dem was sich kurze Zeit später direkt vor unseren Augen abspielt: Peters Kühler wird nämlich einfach auf der Straße in den nächsten Regenabfluß entleert und wir können es einfach nicht fassen! Kühlerflüssigkeit ist extrem giftig und diese hier wird ganz sicher bald in irgendeinem Fluss oder See landen und dort einiges an Schaden anrichten. Nicht auszudenken, wieviel davon und natürlich auch von anderen giftigen Abfällen im ganzen Land einfach achtlos irgendwo hingekippt wird. Nicht auszudenken, was für einen Skandal das in einem Land wie Deutschland auslösen würde! Ja, wir befinden uns in einem Entwicklungsland, wo sich um solche Dinge als letztes Gedanken gemacht wird; doch muss sowas jeden einigermaßen naturverbundenen Menschen tief schockieren. Wir sind jedenfalls sprachlos, fühlen uns schuldig und mit schlechtem Gewissen, Teil dieser immensen und achtlosen Umweltvergiftung zu sein. Da dies hier ganz normale Praxis ist, bleibt einem nichts anderes übrig als mitzumachen wenn man ein Problem am Auto hat, trotzdem fühlen wir uns extrem unwohl dabei, wissend dass wir da gerade überhaupt nichts machen können.

Kurze Zeit später ist Misael gerade dabei, die Spülung unseres Motors zu beaufsichtigen (um eventuelle Rückstände und Kalkablagerungen zu beseitigen), als Peter bereits zu ihm herüber schlendert um nachzufragen, wann denn nun sein neuer Kühler installiert wird. Misael zeigt ihm mit Daumen und Zeigefinder in kurzem Abstand zueinander das internationale Zeichen für “einen Moment” und sagt “Momentito”. Wie ich bereits aus mehr als nur einer Erfahrung, und diese nicht nur mit Misael, weiß kann das alles bedeuten. Von wirklich nur einem Moment (was höchst selten vorkommt), über Minuten bis hin zu Stunden; und so kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen in der Vorahnung dessen was sich mir nun bieten wird. Denn Peter ist ein eher hektischer Mensch, definitiv nicht an lateinamerikanische Zeitvorstellungen gewöhnt und trotz meines gestrigen Erlebnisses nimmt er “Momentito” nur allzu wörtlich und geht allen Ernstes davon aus, dass es nur eine Minute dauern wird. So steht er dann auch kurze Zeit später schon wieder bei Misael um ihn daran zu erinnern, dass die Minute doch längst um ist. Dieser betrachtet ihn mit einem Blick, den ich mal als “beherrschtes Entnervtsein” beschreiben würde, und schickt ihn wie zu erwarten mit einem erneuten “Momentito” zurück an seinen Platz. Nichts für Peters Nerven, denn trotz aller Warnungen hatte er sich doch ausgemalt noch am gleichen Tag wieder unterwegs zu sein. Sein nervöses hin und her Gerutsche färbt langsam auch auf mich ab; und obwohl ich mich vollkommen darauf eingestellt habe nochmals einen geschlagenen Tag bei Misael zu verbringen, merke ich wie auch ich langsam wieder unruhig werde. “Schau Peter”, versuche ich ihn zu besänftigen, “das hier ist einfach nicht Deutschland und “Momentito” heißt hier nicht einen kurzen Moment, es heißt, dass er kommt wenn er fertig ist. Sei einfach ein bißchen geduldiger.” Nach einigen weiteren unruhigen Minuten gibt Peter schließlich auf und begibt sich ins innere seines Campers zu seiner Frau um dort der Dinge zu harren die da kommen und sich mit der Tatsache abzufinden, dass er heute ganz sicher nicht die Stadt verlassen wird.

… 2. Szene

Irgendwann später ist der Landy schließlich soweit wieder hergestellt mit Kühlerflüssigleit und allem drum und dran, dass wir endlich zu einer Testfahrt aufbrechen können. Mit Misael auf dem Beifahrersitz halte ich Kurs auf die umliegenden Berge um den Motor arbeiten zu lassen. Bei der Rausfahrt sehe ich noch, dass Peters neuer Kühler nun doch bereits eingebaut wird, und ich sehe einen weitaus entspannteren Peter danebenstehen und zum Abschied winken.

Auf der kurvigen Bergstraße gebe ich Gas um zu sehen was jetzt passiert. Doch zu meinem Entsetzen verläßt die Nadel auf der Temperaturanzeige schon nach kurzer Zeit wie üblich die Mitte und wandert stetig nach rechts in Richtung Rot! ‘Die gesamte Arbeit und 2 komplette Tage umsonst!’, fährt es mir durch den Kopf. Bei der ¾ Marke fahre ich rechts rüber, doch leider hat Misael sein Lasermessgerät im Shop vergessen. Da stehen wir nun irgendwo auf halber Strecke an einem Pass und können noch nicht einmal feststellen, was denn die genaue Temperatur ist. Doch auch ohne das ist Misael nicht besonders besorgt – im Gegensatz zu mir. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher ob er die Kühlerflüssigkeit erst zum kochen bringen will. Soweit ich weiß, liegt der Siedepunkt für Kühlerflüssigleit in unserem Verhältnis bei 106 °C; und in einem System unter Druck sogar noch höher. Bei Temperaturen die sich der 110 °C Marke nähern würde ich daher befürchten bald eine neue Zylinderkopfdichtung zu brauchen oder noch schlimmer einen neuen Zylinderkopf oder irgendein anderes schwerwiegendes Problem. Obwohl das Thermostat bei 88 °C öffnet, habe ich keine Ahnung welche Temperatur genau der rote Bereich anzeigt. Alles was ich weiß ist, wenn die Temperatur in den roten Bereich geht ist das schlecht, sehr schlecht. Schreckliche Dinge passieren wenn ein Motor überhitzt, sehr schlimme zerstörerische Dinge, die jede Menge Geld kosten – wenn sie überhaupt reparabel sind! Außerdem ist die Temperaturanzeige im Land Rover wie gesagt ziemlich unzuverlässig. Ich bin also schon überrascht von Misaels Reaktion, oder besser gesagt von seiner fehlenden Reaktion. Er macht einen leicht verwunderten Eindruck und vor allem ist er unzufrieden mit sich selbst ob des vergessenen Laserthermometers, doch längst nicht so unzufrieden wie ich. Seiner Meinung nach ist das System nicht überhitzt solange es nicht kocht. Das mag stimmen für ein nicht unter Druck stehendes 100%iges Wassersystem, doch nach dem was ich weiß ensteht mit großer Wahrscheinlichkeit Schaden am Fahrzeug wenn die Kühlerflüssigkeit ihren Siedepunkt erreicht. Vielleicht hat Misael Erfahrung mit anderen Fahrzeugen die vor allem akkuratere Messanzeigen besitzen, doch mir ist das Risiko entschieden zu hoch.

Zurück in Oaxaca macht sich Misael nochmals schwerwiegende Gedanken zu dem Problem und schlägt schließlich vor ein komplettes Diagnosekit von Mexiko City zu bestellen – auf seine Kosten! Er mag, um es vorsichtig auszudrücken, ein spezieller Mensch sein, doch verbringt er Stunden um Stunden damit uns zu helfen, ist selbst überhaupt nicht zufrieden das Problem nicht gefunden zu haben und nimmt seine Arbeit über alle Maßen ernst. So etwas ist selten, das wissen wir. Daher wissen wir es auch zu schätzen und sind fast gerührt über so viel ehrliche Anteilnahme und die Unmengen an Energie, die dieser Mann in seine Arbeit steckt – weit mehr als der Preis den er dafür verlangt. Doch wir haben ehrlich gesagt momentan keine Lust noch mehr Zeit oder Geld oder Nerven in dieses Problem zu investieren. Das Gebläse scheint zu funktionieren und die einzige andere Möglichkeit wäre wohl ein größerer spezial angefertigter Kühler – oder es einfach gemütlich angehen zu lassen bei längeren Steigungen. Ich habe zwar mittlerweile eine Idee, was das Überhitzungsproblem verursachen könnte, doch sicher bin ich mir da natürlich nicht. Wir hatten noch vor der Reise einen größeren Ladeluftkühler installiert (das Original ist ein kleines ineffiziente Ding, dass neben dem Kühler sitzt) der eine höhere Leistung bei niedrigerem Verbrauch ermöglicht. Was ich dabei nicht bedacht hatte, ist dass ein höherer Sauerstoffzufluss zum Motor und eine verbesserte Verbrennungsrate auch die Temperatur erhöhen würde (genau wie man ein Feuer anfacht). Da aber der neue Ladeluftkühler direkt vor dem Kühler sitzt, hat die Luft, die normalerweise durch die Lamellen gehen würde nicht mehr normale Außentemperatur sondern ist wärmer durch das Kühlen der komprimierten Luft aus dem Turbo. Ich nehme an, mir kann jeder folgen bis hierher…? Man kann sich vorstellen wie das Ganze dann bei ohnehin heißen Außentemperaturen aussieht. Das ist zumindest meine Vermutung. Mit einem größeren Kühler wiederum würde die Luft länger zwischen den Lamellen bleiben und hätte also mehr Zeit herunterzukühlen, trotz der heißeren Luft vom Ladeluftkühler.

Rückblickend wäre es sicherlich eine gute Idee gewesen den größeren Kühler von Misael zu bestellen, denn das Überhitzungsproblem besteht auch weiterhin. Ich bin mir nicht 100%iges sicher dass wir wirklich keinen Schaden am Motor verursacht haben, hoffe aber inständig dass das nicht der Fall ist. Falls doch, hat es sich (bisher) glücklicherweise nicht bemerkbar gemacht. Unsere Lösung sieht bis jetzt so aus, die Temperaturanzeige im Auge zu behalten, lange Steigungen äußerst gemütlich anzugehen und nötigenfalls für eine Weile anzuhalten; wir haben es schließlich nicht eilig und es ist Teil des Abenteuers – genau wie das skurrile Erlebnis bei Misael, dass ich jedoch keinesfalls missen möchte und über das ich immer mal wieder schmunzeln muss.